Brennende Hunde
Körperumfang vom Stapel gelassen. Ganz
ruhig hatte Dess daraufhin dessen Basketball vom Boden aufgehoben, dem Jungen
in die Augen geblickt und den Ball mit seiner riesigen Pranke zerdrückt.
Seitdem waren die Teenager dieser Gegend höflich zu ihm. Der Ausdruck, mit dem
sie ihn seither betrachteten, verriet eine Mischung aus respektvollem Staunen
und Angst.
Dess marschierte auf sein Haus zu, schloß auf und stand
in der geräumigen Küche. Das Summen der Air-Condition war der einzige Laut. Er
marschierte zum Kühlschrank und griff eine Flasche Malzbier heraus. Er kaufte
es für gewöhnlich in einem deutschen Supermarkt in einer Seitenstraße des
Venice Boulevards. Anderswo war Malzbier nur schwer zu bekommen. Dess hatte es
während einer Sumo-Europameisterschaft in Ingolstadt schätzen gelernt, zehn
Jahre war das nun her. Über der Tür zum Wohnzimmer prangte ein Gunbai mit
purpurfarbenen Quasten, der einzige Hinweis darauf, daß er einst ein Sekitori,
ein Kämpfer in der Makuuchi-Division, gewesen war.
Die geöffnete Flasche in der Hand, ging er ins Wohnzimmer
und blickte durch das Fenster in den kleinen Garten hinaus. Die Wände des
Raumes waren anthrazitfarben gestrichen, die Möbel wuchtig und schwarz. Sein
Fernsehsessel war eine Sonderanfertigung einer Firma aus Maryland und fast so
groß wie ein Bett.
Er griff nach der Fernbedienung und schaltete die Hifi-Anlage
ein. Das dunkle Murmeln mongolischer Obertongesänge vibrierte kurz darauf durch
den Raum. Dess erinnerte sich an seinen ersten Fall. Wie jetzt, so war er auch
damals zunächst nicht weitergekommen. Er hatte zugestimmt, einen bestimmten
Koffer zu suchen, und schließlich feststellen müssen, daß es nicht um Geld oder
Drogen, sondern um ein gutes Dutzend Fotos ging, auf denen einer der oberen
Mafiaschergen mit einer Bettgespielin zu sehen war, die kaum älter als sechs
war. Dess hatte eine Absprache mit der Chefetage der Organisation getroffen. Statt
die Polizei zu informieren, wurde der Kinderschänder durch seine eigenen Leute
bestraft. Man zwang ihn, mit einer Fünfundsiebzigjährigen zu kopulieren, anschließend
wurde er über den südlichen Rockies aus einem Helikopter gestoßen. Die Leiche
wurde nie gefunden.
Wenn Mr. Love in der Hollywood Bowl gewesen war, überlegte
Dess, so war er nicht zum Zuge gekommen. Und das hieß, Monroe schwebte noch
immer in Lebensgefahr. Er hatte Deadhead, Buck und Eddy beauftragt, sich nach
der Gothic-Lady umzuhören. Aber es bestand nur wenig Aussicht auf Erfolg. Immerhin
aber hatte Monroe endlich eingewilligt, unterzutauchen. In Absprache mit Looney
befand er sich nun an einem geheimen Ort, wo Mr. Love ihn hoffentlich nicht
aufspüren würde. Eine andere Frage, die Dess sich stellte, lautete: Wieso
beschuldigte der anonyme Hinweisgeber diesen Izzy Goodlight erst jetzt?
Der Detektiv griff zum Telefon und tippte die Nummer ein,
unter der er McCullum in der Hütte erreichte – McCullum, der einen schwarzen
Van mit falschen Nummernschildern besaß und sich nachts an Prostituierten
verging.
Er hörte das Tuten, doch niemand ging ran. Dess blickte
auf die Armbanduhr. 18 Uhr, die vereinbarte Zeit. Wieso nahm McCullum nicht ab?
Dess beschloß, es in zehn Minuten noch mal zu versuchen.
***
Looneys Augen leuchteten auf. Riley! Endlich hatten sie
ihn. Jetzt würde Bewegung in diese verdammte Mordsache kommen. Er griff zum
Telefon, entschied dann aber, Dr. Chairman die Neuigkeit persönlich zu
überbringen. An ihrer Bürotür klopfte er an, hörte ein barsches Ja bitte!? und
trat ein, völlig unvorbereitet, Dr. Chairman einzig und allein mit einem
pinkfarbenen Bikini bekleidet zu sehen. Looney versteinerte für einige
Sekunden, schluckte und versuchte das Bild, das sich ihm bot, aus seinem Gehirn
zu verdrängen. Dr. Chairman lag auf einer Gartenliege, einen grünlichen Drink
neben sich, und studierte Papiere.
„Ich wußte nicht, daß es neue Dienstuniformen gibt. Oder
haben wir es mit einem Embargo für Baumwollstoffe zu tun?“ fragte Looney, darum
bemüht, den Blick zum Wohle seiner Augen auf einen Punkt an der Wand direkt über
Dr. Chairman zu richten.
„Entschuldigen Sie, Captain, eigentlich ist heute mein
freier Tag. Aber ich wollte noch den Bericht über die Ermittlungen in der Hollywood
Bowl lesen. Also hab’ ich beschlossen, Freizeit und Arbeit zu kombinieren.
Möchten Sie, daß ich mir etwas überziehe?“
„Das wäre sehr zuvorkommend, Dr. Chairman“, erwiderte Looney
und strengte sich an,
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