Brennende Hunde
Ereignisse
inzwischen zurück. Am Tag vor dem Kampf mit Akebono war Sui Lee, seine große
Liebe, einem Norweger in dessen Heimat gefolgt. Dess war nach Hause gekommen
und hatte nur noch einen Brief vorgefunden, eilig niedergeschrieben in ihrer
kleinen, zierlichen Handschrift. Sie hatte sich nie wieder gemeldet. Noch sechs
einsame, ereignislose Monate war er in Tokio geblieben, dann hatte Dess
beschlossen, sein bisheriges Leben zu vergessen, und sich ein Flugticket zurück
in die Vereinigten Staaten gekauft. In Los Angeles war er schließlich
hängengeblieben. Von der Liebe hatte er für immer genug.
Es klopfte an die Tür. Eddy, Deadhead und Buck kamen
herein und präsentierten, stolz wie Kinder, die sich zum Mardi Gras verkleidet
hatten, ihre Bühnenkostüme. Sie sahen wie Statisten aus, die in einem
Zombiefilm mitwirken sollten und waren völlig aus dem Häuschen. Sechsjährige in
Disneyland konnten nicht glücklicher sein. Unwillkürlich lächelte Dess. Drei
gewaltbereite Kerle, die nicht gezögert hätten, Phil oder ihm im Sadie’s den
Schädel einzuschlagen, standen da und grinsten breit wie Honigkuchenpferde.
„Umwerfend!“ bestätigte er. „Aber denkt dran, daß ihr
eine Aufgabe habt. Wir haben keine Ahnung, was heute abend geschieht.“
„Keine Sorge, Mr. Dess. Monroe wird nichts geschehen.
Dafür sorgen wir schon“, sagte Eddy.
Und Buck fügte hinzu: „Wer immer an ihn ranwill, muß
zuerst an uns vorbei.“
Dess erhob sich, um zu sehen, wie es Monroe wohl ging.
Bis jetzt wirkte er erstaunlich gefaßt. Aber vielleicht hatte er Beruhigungs-mittel
genommen.
***
Während ein brauner Dodge den Blackwater County Airport
erreichte, schleppte sich Riley durch die Wildnis. Noch immer sickerte Blut aus
der Wunde. Er benötigte dringend einen Arzt und versuchte auszurechnen, wie
lange er noch durchhalten würde. Irgendwie konnte er sich nicht vorstellen, daß
dies sein Ende sein sollte. Starben Rockstars nicht anders – durch eine
Überdosis, bei einem Flugzeugabsturz oder während des Schlafs an ihrem
Erbrochenen? Vor seinen Augen ließ er sie alle kurz Revue passieren: Hank
Williams, den man tot auf dem Rücksitz seines Wagens aufgefunden hatte; Buddy
Holly, der mit der Maschine, in der er saß, in einen Schneesturm geraten und
abgestürzt war. Elvis, Janis Joplin und Hendrix. Jim Morrison, Gram Parson, Bon
Scott. Und natürlich Cobain. Aber der hatte sich selbst einen Freiflug in die
ewigen Jagdgründe besorgt. Weil er genug hatte – vom Business, von seiner Frau,
von diesem Planeten. Doch Riley hatte noch nicht vor, sich in die lange Liste
der Gewesenen einzureihen. Wenn es Keith Richards irgendwie gelungen war, am
Leben zu bleiben, schaffte auch er es. Nur eine Straße mußte er finden, einen
Wagen stoppen, der ihn zu einem Arzt bringen würde. Und dann: Rockkarriere und
Starruhm goodbye. Heimlich würde er Carry aufsuchen und ihr vorschlagen, ins
Ausland zu gehen. McCullum konnte ihn mal. Er und Carry könnten einen Flieger
nach Thailand besteigen. Oder nach Südamerika. Oder in die Karibik. St. Lucia,
hatte Monroe erzählt, sollte überwältigend sein. Dann sackte Riley zusammen und
verlor das Bewußtsein. Er träumte, er stünde anläßlich eines Benefit-Auftritts
mit Bon Scott hinter der Bühne.
„Tut mir leid, Riley“, sagte Scott, „aber du kannst da
nicht raus.“
„Halb so wild“, antwortete er. „Ist doch nur Blut.“
Doch als er nach unten blickte, sah Riley, daß er mit
Scott bis zu den Knöcheln in einer riesigen Blutpfütze stand.
„Sorry, Kumpel“, sagte Scott. „Aus unserem Duett wird
leider nichts. Die Leute mögen es nicht, wenn man tot auf die Bühne marschiert.
Ich weiß nicht warum, aber es macht ihnen Angst.“
***
Monroe blickte in das Rund der Arena, auf ein Meer in die
Luft gereckter Arme, die im Rhythmus des Gitarrenriffs zuckten. Er hatte die
Show mit seinem alten Hit Unwanted People gestartet, und das Publikum war vom
ersten Augenblick an aus dem Häuschen gewesen. Von Anfang an stimmte die Chemie
zwischen der Masse und ihm; Energie floß von ihr in ihn zurück, und bereits vom
zweiten Song an glich das Konzert einem geschlechtlichen Akt, bei dem sich
beide Seiten sexuell stimulierten und in Verzückung gerieten. Monroe fühlte sich
gut, keine Droge, die er kannte, bescherte ihm einen besseren Kick. Die
Morddrohung und Dess mitsamt seinen Bodyguards waren vergessen. Die wirkliche
Welt existierte nicht mehr, sondern nur noch Musik, Rhythmus,
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