Brennende Hunde
Sofa. Flexy sah die blaue Tasche sofort. Sie
öffnete sie und schüttete den Inhalt auf den Tisch. Ein Lippenstift, ein
Handspiegel, ein Tampon, Schlüssel, ein Kajalstift, ein Deo-Roller und ein
Haufen anderer Kleinkram fielen heraus. Außerdem ein Ausweis für eine Videothek,
etliche Dollarnoten und etwas Kleines, Rundes, das erst auf die Tischplatte
schlug und dann auf den Fußboden sprang.
Flexy bückte sich nach dem kleinen, glitzernden Etwas, und
ihr Herz tat einen Sprung. Es war ein auffälliger Diamantring, in den innen die
Widmung Meinem Mädchen eingraviert war. Er paßte auf ihren Finger, als wäre er
für sie gemacht. Auch die Widmung gefiel ihr. Sie war schlicht und romantisch
zugleich.
Die ganze Zeit über, während sie sich die Fingernägel
lackierte, sah sie ihn an. Das Leuchten des Steins flutete unverwandt in ihre Seele
hinein, weitete sie und füllte die Leere mit etwas Kostbarem aus. Ein ziemlich
wertvolles Kleinod, gar keine Frage. Jodie würde ihn zurückverlangen, logisch,
aber heute nacht gehörte er ihr.
Als ihre Nägel trocken waren, schob sie die auf dem Tisch
wirr durcheinanderliegenden Sachen in die Tasche zurück. Die Party würde sicherlich
lang werden, folglich war es klug, etwas zum Frischmachen bei sich zu haben. In
der Tasche war, Bargeld inklusive, alles, was sie brauchte.
Sie glitt in eine kurze Wildlederjacke, die an der Tür zu
Noonas Schlafzimmer hing, prüfte im Spiegel ihr Aussehen und löschte das Licht.
Die warme Luft draußen empfing sie so weich wie ein Tuch. Flexy fühlte sich
gut. Als es ihr innerhalb einer Minute gelang, ein Taxi zu stoppen, lächelte
sie. Der Bann war gebrochen, die schlechten Tage vorbei.
***
„Die mit Abstand beschissenste Idee, die du jemals gehabt
hast, Noona!“ maulte Jodie. Die Füße taten ihr weh. Schon seit zwanzig Minuten
stöckelten sie ziellos umher.
„Kann ich was dafür, daß uns diese verdammten Nutten unseren
Spaß nicht gönnen wollen? Als ob sie gleich ins Armenhaus kämen, nur weil
plötzlich zwei mehr am Straßenrand stehen!“
„Hättest du dir eigentlich denken können, daß sie ihre
Reviere verteidigen würden. – Scheiße, diese eine Schlampe hat mich gebissen!“
Jodie glaubte, allen Grund zu haben, sauer auf ihre
Freundin zu sein. Als sie sich zwischen den anderen Huren am Bordsteig hatten einreihen
wollen, war es binnen einer Minute zum Aufruhr gekommen. Plötzlich waren sie
von lauter Frauen umringt, die ihnen in aller Deutlichkeit klarmachten, was sie
von diesen fremden Konkurrentinnen hielten. Eine große Blonde hatte wissen
wollen, für wen sie anschaffen gingen, und als Noona ins Blaue hinein
geantwortet hatte für Chaco, waren die Huren mißtrauisch geworden.
„Chaco? Es gibt keinen Chaco. Und wenn, haben seine
Pferdchen hier trotzdem nichts zu suchen! Also, verpißt euch! Schwirrt ab!“
Noona hatte den in Jodies Augen unsinnigen Versuch
unternommen, den Frauen entgegenzutreten.
„Glaubst du, dein Arsch ist schöner als meiner. Ich
stell’ mich hin, wo ich will, du häßliche Qualle. Dich besteigt doch nicht mal
einer, wenn du dafür zahlst!“
Als Antwort darauf traf die Tasche der Blonden Noona am
Kopf, und Jodie wurde gebissen. Eilig nahmen die beiden Reißaus.
Die Straße, auf der sie sich befanden, war nur wenig
belebt. Gegen Osten breitete der St.-Arthur-Park sich aus, schweigsam und dunkel.
Kaum ein anderer Laut war zu hören als das Klappern ihrer High Heels auf dem
Bürgersteig. Vom Pazifik wehte ein unangenehm kühler Wind herauf, der Jodie
frösteln ließ. In der Parkanlage rauschten die Palmen wie träumende Schläfer,
im Süden hing der Mond wie ein Scheinwerfer über den Hollywood Hills. Jegliche
Abenteuerlust war Jodie gründlich abhanden gekommen. Alles, wonach sie sich
sehnte, war ihr Sofa und eine heiße Tasse Hibiskusblütenee.
„Hier!“ sagte Noona und reichte Jodie einen kleinen
Gentleman-Flachmann. „Trink auch einen Schluck!“
Jodie trank. Und während sie noch den Kopf in den Nacken
legte und darauf hoffte, daß die Wärme zurückkehren würde, erblickte sie aus
den Augenwinkeln einen sich langsam nähernden Wagen.
***
Die schneidende Stimme Jim Morrisons drang wie ein Stich
in die Schwärze der Nacht.
„Break on through to the other side!“
Robbie Kriegers Gitarre kreischte und verwob sich mit dem
düsteren Groove der Orgel von Ray Manzarek und dem Hämmern der Drums, an denen
sich John Densmore einem dunklen Voodoo-Zauber
Weitere Kostenlose Bücher