Brennende Kälte
weiterzufahren.
Doch Dengler hatte Glück. Nach fünfzig Metern bog ein grüner Passat aus einer Parkbucht, und Dengler nutzte die Gelegenheit und stellte das Stadtmobil ab. Den Motor ließ er laufen. Im Rückspiegel sah er, wie der Fahrer des schwarzen Kastenwagens ausstieg, und fotografierte ihn mithilfe des Rückspiegels. Doch er konnte das Gesicht nicht erkennen. Groß gewachsen, athletische Gestalt, dunkle Jeans, dunkelblonde, kurz geschnittene Haare, dunkelgrüne Jacke.
Der Mann verschwand hinter dem Wagen, und Dengler nahm an, dass er durch die Hecktür ins Innere des Laderaums gestiegen war.
Dengler wartete. Durch die Rückspiegel konnte er das Zielobjekt gut beobachten, ohne selbst aufzufallen. Wenn der Mann auftauchen würde, müsste er sein Gesicht sehen. Dengler war sich nun fast sicher, dass es Florian Singer war. Einen Augenblick überlegte er, auszusteigen und zu dem Mann im Kastenwagen hinüberzugehen.
Warum eigentlich nicht, dachte er.
In diesem Augenblick gab es im Motorraum des Stadtmobils einen dumpfen Schlag, und der Motor ging aus. Dengler fluchte leise und drehte den Zündschlüssel, um den Wagen zu starten. Nichts regte sich. Die Armaturenbeleuchtung war erloschen. Jetzt bemerkte Dengler, dass auch die Scheinwerfer sich nicht mehr einschalten ließen. Er versuchte erneut, den Wagen zu starten. Es war zwecklos.
Im Rückspiegel sah er nun, wie sich der dunkle Kastenwagen wieder in den Verkehr einfädelte.
Dengler fluchte, drehte wieder den Schlüssel im Zündschloss. Nichts.
Das Zielobjekt gliederte sich in die Schlange der talabwärts drängenden Wagen ein, fuhr an ihm vorbei und verschwand im Lichtergemenge des Verkehrs.
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Weihnachten 2001: Erlangen, Katharina Petrys Wohnung
Während das ganze Land bis zuletzt gehofft hatte, es würde nicht zum Krieg kommen, konnte Katharina Petry die Eröffnung der Kampfhandlungen kaum abwarten. Wie auf glühenden Kohlen saß sie vor dem Fernseher und betrank sich mit einer Flasche Veuve.
Zuvor war die Ausbildung einer Truppe Artilleristen an der neuen Waffe gut vorangekommen. Was allerdings fehlte, waren brauchbare Daten, um das neue System schnell auf alle denkbaren Gefechtssituationen einzustellen. Der Geschäftsplan sah verschiedene Modelle unterschiedlicher Einsatzmöglichkeiten vor. In der kleinsten Version würde das System den Wasserwerfer ersetzen. Gering dosierte Strahlen von 95 Gigahertz riefen auf der Haut brennende Schmerzen hervor. Gegen eine beliebige Menschenansammlung eingesetzt, würde man diese innerhalb kürzester Zeit auflösen können. Niemand konnte sich diesen Schmerzen entziehen. Probleme bereitete jedoch immer noch die Frage, was geschehen würde, wenn die Strahlen, was unvermeidbar war, auf die Netzhaut der Augen trafen. Die Tierversuche hatten eine beunruhigende Datenlage angehäuft. Unklar war auch, wie die Strahlen auf Embryonen und Kinder wirkten.
Aber bald, so hoffte sie, würde sie über echtes, realitätstaugliches Datenmaterial verfügen. In den größeren Versionen würde die Waffe Milliarden einbringen. Die Strahlen konnten Wände und Materie aller Art durchdringen und dahinter feindliche Soldaten töten, ohne dass diese begriffen, von wo sie angegriffen wurden. Eine neue Generation von Weitsichtgeräten würde Militär, Polizei und Geheimdiensten außerdem erlauben, durch Hauswände hindurchzusehen und beliebige Zielpersonen unbemerkt auszuspähen.
Der Tag heute, an dem die deutsche Spezialtruppe nach Kandahar aufbrach, war für Katharina Petry ein Festtag. Denn sie führten zwei Delta-III-Systeme mit sich, installiert auf je einem Fuchs-Panzerwagen.
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Fünfter Bericht: Kanadier
In einem Berggebiet vermuteten die Amerikaner hundert El-Kaida-Kämpfer. Wir sind mit den Hubschraubern rauf. Den zweirotorigen Chinooks. Während wir noch auf unseren Einsatz warten, beobachten wir durch die Feldstecher die Kanadier, die ein nach Süden fahrendes Auto stoppen. Die Kiste, schmutzig und grau, hatte keine friendly-Markierung, aber die beiden Männer, die ausstiegen, hatten die Hände erhoben und trugen keine Waffen. Doch die Kanadier erschossen beide mit ihren M16. Ohne zu zögern. Ohne Grund.
Heilige Scheiße, dachte ich, Afghanistan ist wie der Wilde Westen. Und da wurde mir klar, dass ich alles vergessen musste, was mir über diesen Einsatz erzählt worden war. Alles passiert dort ohne Gesetz.
Und wenn du dann nach Deutschland zurückkommst und hier Zeitungen liest oder Fernsehen guckst, dann
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