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Brennende Kälte

Brennende Kälte

Titel: Brennende Kälte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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Chip.«
    »Ja, mit einem Chip mit meinen biometrischen Angaben und meinen Fingerabdrücken darauf.«
    Der kahlköpfige Kellner brachte Dengler einen doppelten Espresso und stellte einen kleinen Becher warmer Milch daneben. Dengler dankte ihm mit einem Kopfnicken.
    »Schade, dass du den neuen Pass noch nicht hast.«
    »Warum?«
    »Ich will dir was zeigen.« Jakob nahm seine Schultasche, suchte darin.
    »Ich habe den Pass von Olga hier in der Tasche. Sie hat ihn mir gestern gegeben, weil er ganz neu ist und sie mir zeigen wollte, wie er aussieht. Und weil sie will, dass ich ...« Jetzt hatte Jakob das dunkelrote Dokument in der Hand und blickte sich um.
    »Haben Sie eine Mikrowelle hier?«, fragte er den Kellner. Der Kellner drehte sich um und deutete mit dem Kopf auf ein Mikrowellengerät, das neben dem Eingang zum Speiseraum stand. »Klasse«, sagte Jakob.
    Und dann, an Dengler gewandt: »Hier, schau dir den Pass von Olga an.«
    Jakob öffnete das Dokument und hielt es Dengler hin.
    »Diesen Chip hier kann man mit einem Scanner lesen, ohne dass du das merkst«, sagte Jakob. »Damit kann man feststellen, wo du wann gewesen bist. Man kann feststellen, mit wem du unterwegs warst. Man kann automatisch soziale Netzwerke erfassen. Man kann ...«
    »Wenn diese Personen, die du triffst, auch einen solchen neuen Reisepass mit sich führen?«
    »Richtig. In ein paar Jahren werden wir alle solche Pässe haben. Und warum ist der Chip da drin?«, fragte Jakob im Tonfall des Sprechers der »Sendung mit der Maus«.
    »Nun, das ist einfach. Dieser Pass ist fälschungssicher. Damit wird ausgeschlossen, dass andere ihn stehlen, manipulieren und dann irgendwelche Verbrechen begehen können.«
    »Wie viele Verbrechen wurden denn mit gefälschten Reisepässen begangen?«
    Dengler lachte: »Keine Ahnung. Ich denke, eine ganze Menge.«
    »Falsch. Kein einziges. Es gab eine Anfrage zu diesem Thema im Bundestag. Der Regierung war kein Verbrechen bekannt, das ohne gefälschten Reisepass nicht hätte begangen werden können. Es wurden insgesamt nur sechs Fälschungen nachgewiesen.«
    Dengler fixierte seinen Sohn durch zusammengekniffene Lider: »Woher weißt du das alles? Von deiner Mutter?«
    Für einen Augenblick dachte er an Hildegards wechselnden Übereifer für Flamenco, Tango, Feminismus und die Grünen. Ob so etwas vererbbar ist?
    »Ich beschäftige mich eben damit. Schließlich bin ich bald erwachsen und muss mich in eurer Welt zurechtfinden.«
    »Du beschäftigst dich mit Reisepässen?«
    »Ich beschäftige mich mit Überwachungsmethoden. Und der Chip im Reisepass ist eine davon.«
    Nur gut, dass Sohnemann keine Ahnung hat, welche Überwachungsmethoden sein Vater anwendet, dachte Georg.
    »Der Reisepass ist übrigens auch dann gültig, wenn der Chip defekt ist.« Jakob nahm Olgas Pass und ging damit an die Bar. Er öffnete die Tür der Mikrowelle und legte ihn hinein. »He, bist du verrückt geworden? Was hast du vor?«
    Dengler war aufgesprungen und rannte zu seinem Sohn an die Theke.
    Jakob schloss die Klappe wieder.
    »Es reicht völlig, wenn man das Gerät nur ganz kurz einschaltet«, sagte er.
    Er drehte den Schalter auf »An« und sofort wieder auf »Aus«. Dann klappte er die Türe auf und nahm den Ausweis wieder heraus.
    »Auftrag ausgeführt: ein gültiger Reisepass, aber ohne Chip«, sagt er. »Jedenfalls ohne funktionierenden Chip.«
    Dengler war wütend.
    »Weißt du überhaupt, was so ein Ding kostet?«, fauchte er seinen Sohn an.
    »Das weiß ich sogar exakt: neunundsechzig Euro. Die wahren Kosten liegen jedoch viel höher. Wahrscheinlich bei dreihundert Euro. Die Differenz bezahlt der Steuerzahler. Also du und irgendwann auch ich.«
    Er reichte seinem Vater den Pass. Dengler wendete ihn hin und her. Es war keine Veränderung festzustellen.
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte sein Sohn. »Er ist gültig. Nur der Chip ist hin. Niemand kann nun heimlich Olgas Daten einlesen.«
    Und angesichts Denglers Gesichtsausdruck fügte er leiser hinzu: »Ist doch gut, oder?«
    Der wimpernverhangene Blick und der Tonfall seiner Stimme verrieten Dengler, dass sein Sohn sich seiner Sache nicht mehr ganz sicher war. Er tat ihm leid, aber Denglers Wut war noch nicht verraucht.
    »Du kannst doch nicht einfach hingehen und ... Olgas Pass ist jetzt... Gut, ja, aber ... Himmel, es wird schon gute Gründe geben, warum die Regierung diese Chips da einbaut.«
    Noch während er den Satz aussprach, bekam Georg Zweifel. Wenn jemand die Datensammelwut

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