Brennende Kontinente
unbekannten Gottes! Ich sollte euch für eure Falschheit alle ausrotten!«
Lorin war ebenfalls aufgesprungen und stand seinem Halbbruder bei. Er schaute auf Imissas abgeschlagene Hand, in der ein Schmuckstück glänzte, und nahm es auf. Es war ein unterarmlanger, schwerer Schlüssel, der in ein kompliziertes Schloss passte.
Imissa sank in diesem Augenblick in sich zusammen. »Ein Pfand«, hauchte sie und rang mit dem Schock, den ihr die Verletzung zugefügt hatte. »Wir wollten ein anderes Pfand anbieten: der Haupttempel von Intwesh zu Khömalin, das größte Heiligtum Kensustrias. Wir wollten niemals ...«
Sie verdrehte die Augen und kippte nach hinten. Lorin zog den Gürtel aus seiner Hose und band den Unterarm ab, damit sie nicht mehr Blut verlor.
Betroffen starrte Tokaro auf Imissa und die fünf scheinbar leblosen Hohepriester. »Es tut mir Leid«, sagte er leise. »Angor ist mein Zeuge, ich dachte, dass sie versuchen ... Ich hatte sie gewarnt.« Er blickte zu Estra, die nicht weniger entsetzt schaute wie er. »Ich dachte, es sei ein Anschlag, um an dich und das Amulett zu gelangen.«
Perdor schrie nach seinem Cereler und betrachtete die Kensustrianer, die stocksteif standen. Gän hielt sie allein durch sein Aussehen daran zu handeln. Durch sein Aussehen und die Kraft, die er soeben unter Beweis gestellt hatte.
»Ich akzeptiere«, sprach Estra mit Zittern in der Stimme. »Geht nach Kensustria und berichtet, dass ich eure Bedingungen angenommen habe.«
»Was ?« Tokaro warf ihr einen Blick zu, der sie eine Verräterin schalt. Sie schritt an ihm vorbei und kniete sich neben Lorin und Imissa, betrachtete die Wunde der Kensustrianerin und sah von unten zu den Hohepriestern auf. »Ich bedaure zutiefst, was geschehen ist, kann es jedoch nicht gutmachen. Nehmt meine aufrichtige Entschuldigung an.«
Perdor trat neben sie. »Ich werde alles veranlassen, Imissa zu retten. Geht jetzt, bitte. Wir kümmern uns um die Verletzten.«
Lorin hatte die Blutung durch Abbinden des Armes aufgehalten, Estra half ihm, den Stumpf mit einem sauberen Tischtuch zu verbinden.
Tokaro stand über ihnen; das Blut der Kensustrianerin troff von der aldoreelischen Klinge auf den Boden. Er sah seinen Halbbruder und seine Gefährtin nebeneinander knien, wie sie Hand in Hand arbeiteten. Sie bedachte Lorin mit einem langen, nachdenklichen Blick, danach schaute sie zu ihm hinauf und schüttelte den Kopf. »Ich hatte mit Dank gerechnet«, flüchtete er sich in den bekannten Trotz, »nicht mit einem stummen Vorwurf.«
»Dank wofür?«
»Dass ich dir das Leben gerettet hätte.« Estra rollte mit den Augen. »Dann nimm meinen Dank, dass du und Gän um ein Haar jede Verhandlung mit den Kensustrianern unmöglich gemacht habt.« Sie zeigte auf die bewusstlose Imissa. »Sie wird sicherlich auch Worte der Anerkennung für dich finden, Herr Ritter.«
Lorin legte ihr die Hand auf den Unterarm, um sie zu zügeln ‐ doch die Geste wurde von Tokaro in seinem erregten Zustand gründlich missverstanden.
»Wagt ihr es endlich, euch vor aller Augen zu zeigen? Aber ich weiß es schon lange. Denkst du, ich merke nicht, was zwischen euch beiden geschieht? Ich sah die Umarmung auf der Burg, ich erkenne die Blicke, die ihr tauscht.« Er ging zwei Schritte zurück. »Du bist mir ein feiner Halbbruder! Kommst hierher, verlangst nach meiner Hilfe und raubst mir meine Gefährtin.« Er bedachte Estra mit einem verächtlichen Blick.
»Nimm ihn dir, wenn er dir lieber ist. Ich gebe dich frei,« Er deutete mit dem Finger auf Lorin. »Und du: Rette deinen
Kontinent selbst. Auf mich wirst du nicht mehr zählen können.« Tokaro wandte sich um und verließ
das Arbeitszimmer,
Gän folgte ihm.
Perdor schaute ihm verdutzt hinterher. »Die Ritter Angors sind anscheinend alle ähnlich veranlagt«, brummte er dann und winkte den eintretenden Cereler zu sich. Dieser untersuchte die Kensustrianer und stellte bei zweien von ihnen den Tod fest, die anderen lebten noch, wenn er auch nicht zu sagen vermochte, wie lange. Lediglich für Imissa sah er es als sicher an, dass sie die Verwundung überstand. Lorin und Estra erhoben sich. »Glaube mir, ich hatte niemals die Absicht, dir näher zu treten. Mein Halbbruder ist zu eifersüchtig, um das zu erkennen. Ich habe eine wundervolle Frau, die auf mich wartet, und ...«
Estra nickte. »Es ist schon gut. Ich kenne Tokaros Launen. Er wird sich wieder beruhigen. Und ich bringe ihn dazu, mit dir zu gehen.« Absichtlich vermied sie es,
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