Brennende Kontinente
schmeckte ihm nicht, dass sein Halbbruder noch immer mit ihnen reiste, obwohl er ihm deutlich gemacht hatte, dass es nichts mehr gab, was sie verband. Nicht nach seinem Verrat, indem er mit Estra anbandelte.
Er sah dies als einen weiteren Beweis, dass ihn und Estra mehr verband als Freundschaft. Wie gern würde er ihren Beteuerungen glauben, doch die Eifersucht verhinderte es. Schon einmal war Tokaro von der Liebe verraten worden. Er hatte Zvatochna sein Herz geschenkt, und sie hatte die Gabe nicht zu schätzen gewusst. Jedenfalls hielt er es so in Erinnerung. Die Schwierigkeiten mit Estra hatten begonnen, seit er wusste, dass sie die Tochter von Nerestro und Belkala war. Die leise Stimme, die ihm im Hinterkopf sagte, dass er sich die Schwierigkeiten mit seiner Engstirnigkeit selbst bereitete, unterdrückte er. Er war ein Ritter Angors.
»Du wirst mich bald los sein«, sagte Lorin plötzlich neben ihm.
Tokaro zuckte zusammen. »Wieso schleichst du hier herum?«
»Ich wollte sehen, was du machst. Außerdem kannst du i
wenn ich neben dir stehe ‐ Estra nicht unterstellen, sie wolle mich verführen. Oder ich sie.« Er lehnte sich an den Baum, unter dem sie standen.
»Du verlässt Ulldart?« Tokaro gelang es nicht, die Verblüffung zu verstecken.
»Nein. Ich suche hier nach Verbündeten, die mit mir nach Bardhasdronda gehen und sich den Qwor entgegenstellen. Ich habe es aufgegeben, dich zu bitten. Ich werde einen anderen Weg finden, diese Kreaturen zu besiegen. Oder dabei sterben.«
Der sachliche Ton traf Tokaro mehr als alles Geschrei und alle Vorwürfe, die man ihm hätte machen können, weil er seinen Halbbruder nicht begleitete. Und sofort warnte er sich selbst, dass es eine neue Masche sein könnte, um ihn doch dazu zu bewegen. »Angor möge dich beschützen«, sagte er daher lediglich. »Ich wünsche dir das Beste.«
»Danke, Tokaro. Ich werde es benötigen.« Er sah den Karren, neben dem Gän herlief. Er zog ihn selbst, weil kein Pferd es wagte, neben ihm zu gehen. »Ich werde die Verhandlungen noch verfolgen. Es wird spannend werden.«
»Ja, das wird es.« Tokaro vermutete noch immer einen Trick. Es gab keinen Grund, weswegen Lorin als Kalisstrone bei den Unterredungen zugegen sein sollte. Hatte Perdor etwas eingefädelt? Gän hielt den Wagen hinter dem Gebüsch an. »Es kann losgehen«, sagte er leise. Estra huschte als Erste hinein. Tokaro band seinen Schimmel hinten an und gesellte sich zu ihr, Lorin setzte sich auf den Kutschbock. Er wollte nicht zu den beiden, es hätte sofort wieder Spannungen zwischen ihm und seinem Halbbruder gegeben. Darauf hatte er keinerlei Lust. Gän nahm die Zügel und führte das Pferd.
Der Wagen fuhr an, Estra rutschte gegen den jungen Ritter und verlor ihr Gleichgewicht, er hielt sie rechtzeitig fest. Sie schauten sich in die Augen.
»Ich ...« Tokaro ließ sie nicht los. »Es ... ich habe in letzter Zeit viel Unsinn geredet, fürchte ich«, begann er stockend. Es fiel ihm schwer, über seinen stolzen Schatten zu springen. »Jedes Mal, wenn ich dein Gesicht sehe, wenn ich in deine Augen sehe, schreit alles in mir danach, dich festzuhalten und dich zu küssen.« Er schluckte und senkte die blauen Augen. »Aber du machst es mir schwer ...«
»Ich?« Estra hatte voller Hoffnung gelauscht. »Ich mache es dir schwer? Was genau tue ich, weswegen du an meiner Liebe zu dir zweifelst?« Sie war froh, dass es in dem Wagen dunkel war und er hoffentlich nicht sehen konnte, dass sie leicht errötete. So ungeheuerlich sie es selbst fand ‐ sie teilte die Empfindung in einem geringen Maß auch mit Lorin. Es war heimlich und ungewollt aus dem Gefühl der Hochachtung und der Bewunderung heraus entstanden, und sie hatte sich dagegen nicht wehren können. Oder wollen? »Es ist wegen Lorin«, gestand er zähneknirschend. Sie drückte seine Hände.
»Ich mag ihn. Er ist dein Halbbruder, sollte ich ihn daher nicht mögen dürfen?« Estra musste aufpassen, dass sie nicht zu viel sagte.
Er beugte sich nach vorn und küsste sie auf die Stirn. »Es ist... verzeih mir.«
»Ich erkenne in vielen Dingen, die du tust, dass du mich liebst«, sprach sie. »Und gleich darauf sagst du Dinge, für die ich dir die Augen auskratzen könnte.« Sie atmete tief ein. »Du verdankst Nerestro von Kuraschka sehr viel, ich weiß es. Aber löse
dich zu einem gewissen Teil von seinem Erbe.« Estra berührte ihn mit der Linken auf dem Brustharnisch. »Löse dich hier drin
von ihm. Strebe nicht danach, dich
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