Brennende Kontinente
vorging. Auf einen Schlag verströmte sie freudigen Schrecken, ein enormes Glücksgefühl ging einher mit Abwehr. Und ... Er schnupperte vorsichtig. War das Stärke?
»Ihr wollt mich als Königin?«, vergewisserte sie sich.
»Ja. Nichts Sehnlicheres wünschen wir uns von Euch.«
»Wie lange wirst du so vor mir verharren?« Allmählich wurde es ihr unangenehm, dass sie eine regelrechte Anbetung erfuhr. Tokaros und Pashtaks Gesichter verrieten, dass sie zu gern wüssten, worüber sie sich mit Simar unterhielt. Sie gab ihnen mit einem Zeichen zu verstehen, dass sie sich gedulden sollten.
»Bis Ihr mir erlaubt aufzustehen, Allerhöchste.«
»Dann steh auf. Ich bin ein Wesen wie alle anderen auch.«
Simar erhob sich. »Das seid Ihr nicht. Nicht für mich und alle anderen Nicti«, widersprach er. »Ihr tragt das Zeichen der Göttlichkeit und entspringt einer Heiligen. Wie sollte ich mich sonst Euch gegenüber verhalten, Allerhöchste?«
»Sobald wir die Verhandlungen über die Nicti und die
Kensustrianer abgeschlossen haben, wärst du vielleicht anders
über mich denken, Simar.«
Schon wieder fiel er vor ihr auf die Knie. »Segnet mich,
Allerhöchste. Gewährt mir diese Gnade.«
Pashtak verfolgte das Treiben und versuchte weiterhin, es anhand der Düfte zu begreifen. Das Hochgefühl bei Estra war
verschwunden, während sich Simar noch immer in einem rauschähnlichen Zustand zu befinden schien. Er würde wirklich sehr gern erfahren, was sie sprachen.
Estra lehnte die Bitte ab. »Zuerst werden wir verhandeln, danach ist Zeit für alles andere.«
»Lasst mich wenigstens die Geschenke zu Euch bringen, Allerhöchste. Sie sollen Euch zeigen, was Ihr für uns bedeutet«, erbat sich Simar. Estra willigte ein, und der Nicti eilte hinaus.
»Was tut er?«, girrte Pashtak. »Hat er es abgelehnt zu verhandeln?«
»Nein. So weit sind wir nicht. Er möchte die Geschenke bringen lassen.« Sie legte ihre Hand auf die von Tokaro.
»Du zitterst«, stellte er fest. »Hat er dir gedroht... ?«
»Im Gegenteil. Ich werde von ihm als Allerhöchste angesprochen, und angeblich wartet ein gesamter Kontinent darauf, dass ich mich ihm als Königin präsentiere.« Sie seufzte. »Wer würde da nicht zittern?«
»Es war jedenfalls nicht übertrieben, was Simar dir berichtete«, staunte Pashtak. »Ich habe nichts gerochen, was ihn als Lügner erscheinen ließ. Alles, was er sagte ‐ auch wenn ich es nicht verstanden habe ‐, entsprang einer Glückseligkeit, wie sie mir selten begegnet ist.«
Tokaro schaute sie an. »Du und eine Königin.« Er klang anerkennend und nicht ein bisschen zynisch.
»Aber du wirst das Angebot nicht annehmen ?«
Bevor sie antworten konnte, wurde die Tür wieder geöffnet. Simar kam herein, umgeben und gefolgt von unzähligen
Nicti, die in den Saal strömten, als betraten sie ein Heiligtum. Schweigend, ehrfürchtig staunend durchmaßen sie den
Raum, warfen scheue Blicke auf Estra. Sie trugen nicht weniger als zwanzig eisenbeschlagene Truhen mit sich, sodass
Pashtak bereits um die Tragkraft des Bodens fürchtete.
Tokaro hob die Hand, Gän grollte, und die Nimmersatten rückten zwei Schritte nach vorn.
»Sei dieses Mal besonnener als das letzte Mal«, flüsterte Estra ihm zu. »Warte länger, bevor du etwas anordnest.«
Tokaro überhörte ihren Hinweis absichtlich. Er würde nicht zulassen, dass jemand Hand an Estra legte. »Haltet Euch bereit«, sagte er hinter sich zu Gän.
Simar ließ die Truhen absetzen, die Nicti — bis auf ihn — warfen sich wieder auf den Boden.
»Allerhöchste, ich hoffe, wir finden Gefallen bei Euch mit dem, was wir Euch brachten.« Er sprach nach wie vor Kensustrianisch. »Es sind Gaben aus der Heimat Eurer Mutter.« Er öffnete den ersten Deckel.
Die Truhe war bis zum Rand mit Edelsteinen gefüllt, die in unterschiedlichen Farben und Formen funkelten. Ein Raunen ging durch den Saal.
Pashtak betrachtete die Gabe. Er hatte keinen besonderen Bezug zu den bunten Steinen, für deren Besitz die Menschen sich gegenseitig abschlachteten. Er fand das Funkeln hübsch und hätte einen Kronleuchter damit geschmückt, damit das Licht angenehmer wurde. Doch er wusste, dass sie Macht bedeuteten. Sehr viel Macht. Pashtak überschlug den Wert des Schmucks grob und gelangte zu der Ansicht, dass aus seiner Inquisitorin eine der reichsten Frauen Ulldarts geworden war. Und das war nur eine Truhe von zwanzig.
Nacheinander wurden Estra die Geschenke präsentiert, die von Geschmeide bis zu
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