Brennende Schuld
zwischen ihn und seinen Nachbarn. Es war Costas Begegnung von vorhin.
»Es ist keine Jazznacht heute«, sagte sie mit dem Lächeln, das er bereits so kannte, als wäre es ihm seit langem vertraut. Er spürte sein Herz schlagen und wie ihm heiß wurde, aber zugleich drückte etwas gegen seine Brust. Er wusste, wenn er sich mit dieser Frau einlassen würde, wäre es aus mit Karin. Er wollte sich seine momentane Situation nicht noch mehr erschweren.
Er nahm seinen Drink, trank ihn in einem Zug leer und lächelte ihr zu. Eigentlich hatte Costa vorgehabt, noch ein wenig zu bleiben, aber er legte einen Schein auf die Bar und ging.
Langsam lief er den Vara de Rey hinauf. Er spürte Trauer, als er sich fragte, ob er das Alter erreicht hatte, wo man feige wird.
kapitel einunddreißig
Costa stand vor dem Häuschen an der Carretera Mare de Deu. Die Sonne brannte. Er setzte sich die Sonnenbrille auf, die er auf dem Weg gekauft hatte. Seine Brille war im Auto verbrannt.
Mehr als eine kleine Familie konnte in diesem schmalen Gebäude nicht leben, das sich mit der Rückwand gegen den Berg von Dalt Vila schmiegte. Wie bei den anderen Häusern in der Gasse gab es keinen Stromanschluss, die Elektrizität wurde am Kabel der Straßenbeleuchtung abgezapft. Auch fließendes Wasser war nicht vorhanden – nur, wenn der winterliche Regen es durch die Dächer trieb. Längst standen die Spekulanten in den Startlöchern, um in dem malerischen Viertel die durch den Verfall entstehenden Lücken mit schicken Lofts und Restaurants zu füllen. Doch selbst die Ärmsten der Armen waren in der Lage, die lächerlichen Mieten zu zahlen, die in uralten Verträgen festgeschrieben waren. So blieb den Eigentümern nichts weiter übrig, als die Häuser verfallen zu lassen und abzuwarten. An dem gesuchten Haus waren Risse, Mauerverschiebungen und abgeplatzter Putz übertüncht. Diese Arbeiten hatte Cayetano Herrera sicher nicht gemacht. Er lebte in einer seltsamen und eigenen Welt, wenn auch sicher nicht in einer Sekte. Costa hatte den Bischof recherchieren lassen, was ihn hier erwarten würde. Seit Herreras Tod bei dem Waldbrand wohnte seine Mutter Milena hier alleine.
Warum Herrera das Museum so häufig beobachtete hatte, war nicht herauszufinden gewesen. Costa hielt es für unwahrscheinlich, dass die Mutter ihm etwas darüber sagen konnte. Die Rothaarige im Museum hatte ihm erzählt, dass sich bereits alle über den seltsamen Kerl wunderten. Auch im Café kannte man ihn. Er hatte dort nicht nur seinen Beobachtungsposten bezogen, um Costa im Auge zu behalten, sondern er war auch schon dort gewesen, bevor Costa überhaupt aufgetaucht war.
Auf dem winzigen Balkon im ersten Stock bewegte sich etwas. Eine schwarze Katze schlängelte sich zwischen zwei Sesselchen, einer Butangasflasche und Topfpalmen hindurch und streckte eine Pfote durch die schmiedeeiserne Balustrade. Ein Gecko sauste die Balkonkante entlang.
Costa war an diesem Morgen sehr früh aufgewacht. Er hatte das Gefühl gehabt, heute etwas Wichtiges erledigen zu müssen, aber was? Er hatte schlapp und ausgelaugt von der Hitze auf dem Bettrand gesessen und genüsslich so etwas wie den Stillstand der Zeit empfunden. Als sein Telefon klingelte, war dieser Moment der Muße abrupt beendet gewesen.
Der Surfer teilte ihm mit, dass die in Herreras Leiche gefundenen Posphorpartikel aus der Sprengmischung stammten, die bei dem Anschlag auf Costa und auch bei der Explosion verwandt worden war, mit der Herrera selbst umkam. Es bestehe zudem kein Zweifel mehr daran, dass Herrera das Großfeuer um Keulemans’ Haus gelegt habe. Ortega habe ihm ein paar Männer zur Verfügung gestellt, und man habe dieselben chemischen Rückstände an allen drei Brandherden gefunden.
Costa hatte sich eilig angezogen und war losgegangen, um sich das Haus seines potenziellen Mörders anzusehen. Er war zu Fuß zur Carretera de Mare Deu gegangen, einem menschenleeren Gässchen zu Füßen der Stadtmauer. Er warf einen Blick durch die halb geöffnete Tür. Mit der Hand schob er einen verstaubten braunen Vorhang beiseite.
An der Wand hing das Bildnis der Mutter Gottes im Kleid einer spanischen Eroberin des 16. Jahrhunderts. Darunter war ein Brett mit einer Jakobsmuschel aus Santiago de Compostela, vertrocknetes Gebäck von den Nonnen Salamancas und ein alter Palmzweig, der irgendwann den vorösterlichen Segen erhalten hatte.
Er klopfte an die Tür und trat ein. Der Geruch faulender Orangen mischte sich mit den Dämpfen von
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