Brennende Schuld
gekochtem Kohl. Er warf einen Blick in einen runden Spiegel, der am Rand mit bunten Heiligenbildern der spanischen Kirche beklebt war. Sein Gesicht hatte im Laufe des Sommers Farbe bekommen.
Die dickliche kleine Frau in der Tracht der ewigen Witwe hatte ihn nicht gehört und fuhr erschrocken herum.
»Señora Milena Herrera?«, fragte er.
»Die Miete ist bezahlt«, brummte sie und kramte eine Quittung aus der Anrichte hervor. Costa schüttelte den Kopf. »Deswegen bin ich nicht hier.«
Señora Herrera ließ die Hände sinken. Das Misstrauen gegenüber der Obrigkeit war allen alten Ibizenkern gemein – zumindest denen, die erlebt hatten, wie während des Bürgerkriegs zuerst die Republikaner und dann die Falangisten auf der Insel gewütet hatten.
Sie jammerte: »Es geht um Cayetano, nicht wahr? Warum kommt ihr immer wieder und quält mich? Habe ich nicht schon genug gelitten? Er war doch immer ein guter Junge.« Sie zog eine zerknitterte Schwarz-Weiß-Fotografie aus ihrer Kitteltasche und küsste sie mehrmals. Costa sah kurz das Gesicht darauf, die Visage war unverwechselbar.
»Niemandem hat er je etwas zuleide getan. La hostia de la guardia, la mala sombra. «Während sie den Fluch aussprach, bekreuzigte sie sich. Dann sank sie auf einen Stuhl, verbarg ihr Gesicht in den Händen und wimmerte. »Seine Mutter hat er unterstützt, wie es sich gehört. Und nun ist er tot, el cariño mio, mi vida, mein einziges Kind. Alles hat man mir genommen.«
»Ich würde gerne sein Zimmer sehen«, sagte Costa höflich. Der Gedanke, mit Durchsuchungsbefehl und Mannschaftswagen zurückzukehren, in den die schreiende, spuckende und fluchende Witwe von Uniformierten genötigt würde, war ihm unangenehm.
»Ich werde nichts in Unordnung bringen.«
Statt zu antworten, fischte Señora Herrera aus ihrem Witwenrock einen Rosenkranz und begann zu beten: » Ruega por nosotros, santa Madre de Dios « .
» Para que seamos dignos de alcanzar las promesas de nuestro Señor Jesucristo. Amén « , fiel Costa leise in den Sermon ein.
Durch den unverhofften Beistand gerührt, brach die Frau in Tränen aus.
»Es ist oben an der Treppe das erste Zimmer«, sagte sie mit erstickter Stimme.
Die Katze beobachtete ihn, als er die ausgetretenen Holzstufen hinaufstieg. Im Obergeschoss gab es zwei Zimmerchen, beide zur Straße hin. Er öffnete die Tür zur ersten Kammer, und die Katze strich ihm um die Beine. Sonnenstrahlen fielen durch das staubige Fenster auf das gemachte Bett mit dem Kreuz am Kopfende.
Costa sah sich um. Außer dem Bett war die Kommode mit Waschschüssel und Spiegelaufsatz das einzige Möbel. Mehr hätte auch nicht hineingepasst. Er setzte sich aufs Bett, um die Türen der Kommode zu öffnen. Die Bettdecke verströmte sauren Schweißgeruch. Cayetano Herrera, dessen Brandstiftung Menschenleben gekostet und einen Millionenschaden verursacht hatte, war jeden Morgen aus diesem Bett aufgestanden. Die Einschätzung des Bischofs aufgrund seiner Recherche: ein fünfundvierzigjähriger Alkoholiker, gehemmt und entwicklungsgestört. Niemand wusste, wovon er lebte. Warum hatte er das Feuer gelegt? Für Geld? Nur auf Befehl des Phönix oder auch aus Rache für die Demütigungen seines Lebens?
Die Kommode war voll gestopft mit Zeitschriften. Costa erwartete, zwischen klebrigen Seiten von Chicas desnudas oder Sexo privado nach Indizien suchen zu müssen.
Umso größer war seine Überraschung, als er den Inhalt des Schränkchens auf dem Bett ausgebreitet hatte und feststellte, dass es keine Pornohefte, sondern Prospekte von Firmen waren, die mit Brandschutz zu tun hatten: chromblitzende Löschzüge von Magirus-Deutz, Atemschutzgeräte, Schläuche, Feuerlöscher in allen Größen, Sprengmittel und Spezialkleidung.
Die Katze sprang zu ihm aufs Bett und überwachte das Umblättern jeder Seite.
Aus dem Katalog Beriew BE-200 – fliegende Feuerwehr und vielseitiges Amphibienflugzeug der Extraklasse fielen Fotografien und Papiere. Die Katze schlug mit der Pfote danach, und Costa setzte sie auf den Boden. Fast alle Bilder waren vergilbt. Herrera trug auf allen eine Feuerwehruniform. Meist waren es Gruppenfotos, eine Kompanie Feuerwehrmänner vor ihrem Wagen, Herrera und zwei andere beim Löschen eines Fahrzeugbrandes, Herrera und etliche Feuerschutzleute vor einer Bar, in deren Tür der Wirt eine überdimensional große Weinflasche hochhielt. Herrera stand immer ein wenig abseits, ernst, auch wenn die anderen lachten, immer mit dem gleichen Bart
Weitere Kostenlose Bücher