Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brennende Schuld

Brennende Schuld

Titel: Brennende Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Driest
Vom Netzwerk:
oder verschlossen. (Er lacht und weint die Leute an, schrieb sie in ihr Tagebuch.)
    »Bitte zankt euch nicht. Ich mach euch gleich etwas zu essen.«
    Damit verschwand Turia in der Küche.
    Als sie ihr folgte, weil sie offenbar nicht mit dem Jungen spielen wollte, fragte Turia sie, was los sei.
    »Er hat dicke Lippen und schaut mich immer so glasig an«, sagte sie. »An seiner Nase erkennt man den Mischling, nicht nur an seinen blonden Haaren.«
    »Was hast du denn gegen die Nase?«, fragte Turia.
    »Eine Nase wie aus Mehlteig hat ein Spanier nicht. Und seine Nasenlöcher sind zu rund.«
    Turia lachte und sagte, sie sollten zusammen im Garten spielen, sonst gebe es nichts zu essen.
    Am Tisch, als Turia in der Küche das Dessert anrührte, zwang sie den Kleinen, seinen Teller leer zu essen, so wie die Mutter es neuerdings mit ihr zu tun pflegte. Er wollte ihr ausweichen, aber sie hielt ihn fest und sagte, er dürfe nicht unter den Tisch kriechen und ihr als Krebs in die Waden kneifen.
    »Das will ich auch gar nicht«, sagte er, schon den Tränen nahe.
    Sie fasste seine Schulter so hart, wie sie es von der Mutter kannte, und zischte ihm zu: »Stimmt, du bist ein Krebs, aber du darfst mir nicht in die Waden zwicken.«
    Er fing zu weinen an und versuchte, seinen Platz zu verlassen, aber sie hielt ihn am Handgelenk fest. »Nichts da! Es wird aufgegessen.«
    Nach dem Essen – er hatte schon längst alles vergessen und lachte wieder – erzählte er ihr mit viel Mühe und Stocken eine Geschichte, die er vom Fischer Pep Forn gehört hatte, der ihn manchmal mit hinaus zum Angeln nahm. Seine Wangen glühten, und er fand es so spannend und wichtig, dass sie es nicht über sich brachte, ihn zu stoppen oder gar zum Weinen zu bringen.
    Tatsächlich hatte er nicht Unrecht gehabt mit der Wichtigkeit seiner Botschaft für sie, denn als sie abends nach Hause kam, schrieb sie alles, was sie noch erinnern konnte, in ihr Tagebuch.
    Der Knirps hat mir von dem Fischerboot erzählt, das im Frühjahr untergegangen ist. Wollte er mir Angst machen?
    Er war ja selbst nicht dabei, er hat es nur gehört, und der andere, der es ihm erzählt hat, war auch nicht dabei. Es waren andere Fischer, die diesen guten Fang gemacht haben. Sie wollten nicht aufhören, auch als sie ein Unwetter heraufziehen sahen. Sie hatten die größten Bonitos an Deck gezogen, die es im Meer gibt und die viel zu schwer waren für das Boot. Aber die armen Fischer wollten immer mehr und noch mehr. Bei Es Palmador traf sie eine Welle mit so großer Wucht, dass alles über Bord rutschte, Männer und Fische, und das Boot am Riff zerschlagen wurde.
    Die fünf Toten haben sie gleich gefunden, den Kapitän aber erst später. Er hat sich am Ruder festgebunden, um das Schiff halten zu können. Das Meer, wild wie nie, hat ihn mit dem Tau erdrosselt und dann am Riff zerschnitten. Und dann hat es ihn verschluckt.
    Obgleich sie ihn inzwischen gefunden haben, denkt seine Frau noch immer, ein anderes Boot hat ihn vielleicht mit nach Marokko genommen, und er lebt da in einem Fischerdorf.
    Ich habe dem Knirps gesagt, dass er den Kapitän befreien soll, dann kommt er zurück zu seiner Frau, und sie muss nicht mehr warten. Aber er hat gelacht und gesagt, das kann man nicht. Das kannst du nicht, habe ich gesagt, aber er hat mir nicht geglaubt. Also werde ich mir morgen weiches Holz besorgen und das Boot und die Männer und den Kapitän schnitzen.
     
    19. November 1969
    Die Arbeit ist nun getan. Alles ist so geworden, wie ich es wollte. Dabei habe ich mir immer wieder überlegt: Warum hat sich der Kapitän ans Ruder gebunden? Es gibt nur eine Antwort: Er hat alles immer richtig gemacht und wollte die Schmach nicht ertragen. Lieber sterben.

kapitel sieben
    Karin hatte am Abend kochen wollen. Doch als er vor ihrer Tür stand, kam sie ihm schon ausgehfertig entgegen.
    »Ich habe den Geburtstag von Susanne ganz vergessen. Sie und ihr Mann haben uns heute ins La Oliva eingeladen. Ihre Eltern kommen auch.«
    Sie fuhren nach Ibiza-Stadt und parkten seinen Wagen in einer Seitenstraße der Vara de Rey. Hand in Hand schlenderten sie über die Plaça del Parque, wo sie eine Weile einem Feuerschlucker zusahen. Dann spazierten sie über die mächtige Zugbrücke durch die Stadtmauern hinauf in die Altstadt.
    Karin blieb stehen. »Stell dir vor, wir gehen hier über das gleiche Pflaster wie damals die Phönizier.« Sie schaute über die romantische mittelalterliche Kulisse hinunter zum Meer. »Die waren

Weitere Kostenlose Bücher