Brennende Schuld
er die Tür auf und schob sie hinein.
Die Luft im Raum war stickig und schal, obwohl die Klimaanlage auf Hochtouren lief. Der Fischgeruch, der schon an Deck überwältigend war, raubte Costa den Atem. Etwa zwanzig junge farbige Männer saßen an den Tischen des Aufenthaltsraumes und taxierten die beiden Polizisten misstrauisch.
»Wer ist der Kapitän?«, rief der Bischof. Einer der Männer, genau wie die anderen mit weißem T-Shirt, Gummihose und Stiefeln, erhob sich.
» Hablas español? « , schnauzte der Bischof. »Nein? Habe ich mir gedacht. Unser Meer könnt ihr leer fischen, aber unsere Sprache zu lernen ist zu viel verlangt.«
Der junge Kapitän begann sofort mit Händen und Füßen auf sie einzureden und protestierte dagegen, dass sie hier schon seit heute Morgen festgehalten wurden. Seine Mannschaft habe sich nicht einmal waschen können. Er sei als Kapitän für alles verantwortlich, was schief ging, aber seine Leute möge man entlassen.
Costa musterte ihn. Er schien ihm nicht der Typ, der sich betrank. »Wir wollen erst die Kühlräume sehen. So lange müssen alle an Deck bleiben. Und Sie begleiten uns. Claro? «
Der Kapitän stimmte zu.
Auf dem Weg zu den unteren Decks fragte er, worum es gehe, die Guardia Civil sei doch nicht für Schiffsunglücke zuständig.
»Wir ermitteln in einem Mordfall«, erwiderte Costa. »Es wäre möglich, dass das Opfer von diesem Schiff stammt. Fehlt bei Ihnen irgendjemand?«
»Niemand«, sagte der Kapitän. »Die Mannschaft ist vollständig. Sie können es anhand der Musterrollen überprüfen.«
»Niemand ist über Bord gegangen, und trotz des waghalsigen Manövers und der Sauferei ist auch niemand an Bord zu Schaden gekommen«, polterte der Bischof.
Der Kapitän schien zu ahnen, wovon der Bischof sprach, und erklärte erregt, er habe noch nie in seinem Leben Alkohol getrunken, und an Bord dieses Schiffes gebe es auch keinen. Der Grund für die Havarie sei gewesen, dass die Hafeneinfahrt von San Antonio in der letzten Nacht nicht vorschriftsmäßig gekennzeichnet war und er nach Karte fahren musste. Deswegen habe er beinahe die Isla Conejera gerammt und Schiff und Ladung nur retten können, indem er in die sandige Bucht fuhr.
Selbst der Bischof sah ein, dass sie umsonst hierher gefahren waren. Dennoch stellte er die Frage nach dem Trockeneis.
Als Costa dem Kapitän das übersetzt hatte, erklärte dieser mit einem Kopfschütteln, auch wenn der dicke Kollege keine Schwarzen leiden könne und meine, sie wohnten noch in Höhlen, sehe er doch selbst die Dieselmotoren und Stromkabel. »Trockeneis verwenden wir schon seit Jahrzehnten nicht mehr«, sagte er mit einem wütenden Blick auf den Bischof.
kapitel sechs
Ihr Vater blieb für sie auf rätselhafte Weise verschwunden. Die Mutter, der ihre Schwierigkeiten mit dem Verlust des Vaters Sorgen bereiteten, versuchte, sie zu trösten, indem sie sagte, dass der Vater verreist sei. Wenn sie dann darauf bestand, ihn anzurufen, behauptete die Mutter, er liege irgendwo in einem Krankenhaus und könne nicht telefonieren.
Um der Mutter klar zu machen, dass sie Abende ohne ihren Papi nicht leiden konnte, verweigerte sie das Abendessen. Die Mutter füllte ihr den Teller und zwang sie, alles aufzuessen. Immer schweigender wurden die gemeinsamen Tafelrunden, denn in dieser Stimmung sprach auch Jaume nicht mehr. Das tat der Mutter sehr leid, denn er hatte eingewilligt, sie noch vor Ablauf des Trauerjahres zu heiraten, was seinem Ruf als Politiker sicher schadete.
Die Kleine wurde immer verschlossener, aber ihr zukünftiger Stiefvater schien sie dennoch zu mögen. Er verständigte sich mit ihr auf eine knappe und sehr pragmatische Art. Stets ging es nur darum, was zu tun oder zu lassen war.
Ihre Stimmungen und ein Teil ihrer geheimen Gedanken vertraute sie ihrem Tagebuch an. Am traurigsten ist, dass ich nicht in Papis Bett schlafen kann, bis er wiederkommt. Manchmal erscheint er mitten in der Nacht, aber ich weiß nicht, wann. Sein Zimmer ist abgeschlossen, und immer wenn ich an der Tür rüttele oder klopfe, kommt Mutter und sperrt mich in mein Zimmer.
» Nichts da « , sagt sie jedes Mal, » Papa schläft. «
Ich hasse sie dafür. Manchmal sagt sie, Papa schläft, manchmal ist er nicht da, und manchmal ist er tot, ich sei doch auf seiner Beerdigung gewesen. Sie tut das, um mich zu ärgern, aber die Wahrheit ist: Sie hat ihn zusammen mit Onkel Jaume gekidnappt. Das Verbrechen wurde vor elf Tagen begangen. Als ich danach in die
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