Brennende Schuld
suchen.« Zum ersten Mal, seit er sie kannte, platzte sie mit einem lauten Lachen heraus.
» Bueno « , sagte er grinsend, »alles klar.«
Vor ihnen auf dem Sandweg tauchte eine Touristenfamilie auf.
Er fuhr langsamer, weil der weiße Sand auf dem Weg ziemlich pudrig war. Sie warf ihm einen ironischen Blick zu. »Achtung, Familie voraus! Das Fortpflanzungsgrüppchen nicht einnebeln!«
Er fand es unnötig, dass sie als Single gegen die Familie polemisierte. Es würde genügen, wenn sie ihm den Hof machte, dachte er verärgert. Außerdem hatte der Traum gar nichts mit ihm zu tun. Es war nur eine Ahnung, in welchen Umständen das reale Opfer gelebt hatte. Wenn ihn eine Sache sehr beschäftigte, fand er die Lösung manchmal im Traum oder Halbschlaf. Er erinnerte sich an einen Fall, in dem unter den Zeugen ein Zwilling gewesen war, der seinen Bruder viele Jahre lang gesucht hatte. Eines Morgens war er wieder zu einer Anhörung gekommen und hatte Costa von einem Traum erzählt, in dem er erfuhr, wo und unter welchen Umständen sein Bruder gerade lebte. Costa hatte sich sehr dafür interessiert und ihn gebeten, ihm Nachricht zu geben, falls der Traum ihn tatsächlich zu seinem Bruder führen würde. Wochen später rief der Mann an und erzählte ihm, er habe seinen Bruder gefunden. Costa fragte ihn bis ins Einzelne aus – viele Details aus dem Traum hatten sich in der Wirklichkeit wiedergefunden.
Dennoch verwarf er den Gedanken, die Touristenhotels nach einer Familie mit zwei Kindern zu durchkämmen. Die Frau hätte sicher schon eine Vermisstenanzeige aufgegeben. Der Surfer hatte bereits alle Polizeidienststellen vergeblich abtelefoniert.
Einmal mehr fielen ihm die gelben Felder und dürren Sträucher auf. »Die Insel braucht dringend Regen.« Als Elena nicht darauf reagierte, begann er, wieder einmal darüber nachzudenken, was der Grund sein könnte, dass Karin sich in den letzten Wochen so verändert hatte.
Sie hatte sich Costa immer als Teil einer mächtigen ibizenkischen Familie gewünscht, als jemanden, der die Privilegien genießen konnte, die ihm seine Herkunft ermöglichte. Jedes Mal, wenn El Cubano sich über seines Neffen schlecht bezahlten Job mokierte und ihm anbot, sich die Taschen auf die gleiche Art zu füllen wie Josefa, er selbst, Campaña und alle anderen, hatten Karins Augen geleuchtet.
Sie hatte sich stark gemacht für Cubano und sich immer dafür eingesetzt, das Verhältnis zwischen ihm und seinem Onkel zu verbessern. Stattdessen hatte Costa eines Tages gegen ihn wegen Mordes ermittelt. Es war kein Verfahren gegen ihn eröffnet worden, aber nur, weil der Mord verjährt gewesen war.
Karin hatte damals auf der falschen Seite gestanden. Er hatte ihr das längst verziehen, aber sie sich selbst vielleicht nicht. Jedenfalls war sie nicht mehr so herausfordernd gewesen, nachdem sie erleben musste, dass er mit den Vorbehalten gegen seinen Onkel Recht gehabt hatte. Anfangs gefiel ihm das; sie war ruhiger, fast milde geworden. Aber in den letzten Tagen kam es ihm eher so vor, als würde sie seine Forderung, Privates von Beruflichem zu trennen, als Drohung auffassen. Nach dem Schema: Wenn du dich nicht aus meinem Beruf raushältst, mache ich mit dir Schluss. Jedenfalls hatte er das Gefühl, dass sie eine solche Grenze nicht akzeptierte und ihn genau an dieser Grenze testete. Die Mühe kann sie sich sparen, dachte er. Der Gedanke, sie könnte zu den Leuten gehören, die ihn unterschätzten, bereitete ihm echten Verdruss.
Sie waren auf einen Felsen vor der Höhle hinuntergeklettert, und diesmal fühlte Costa sich gut. Der zweite Aufstieg und dann der Abstieg über die Klippen waren ihm trotz der schweren Ausrüstung leicht gefallen, seine Lungen waren frei, und er spürte Kraft in den Muskeln.
Elena prüfte mit ernstem Gesicht die Ventile der Sauerstoffflaschen und die Manschetten. Immer wieder gefiel ihm die Art, wie sie auf die Welt zuging. Die Aufklärung eines Mordfalls bewältigte sie mit dem gleichen Pragmatismus, mit dem sie ihr Motorrad reparierte.
Er bemühte sich, nicht hinzusehen, während sie T-Shirt und Jeans auszog und nur mit einem Slip bekleidet in den Neoprenanzug stieg. Ihr Körper war schlank und durchtrainiert. Er selbst hatte Schwierigkeiten mit dem Gummizeugs. Er hatte Fett angesetzt, und der Schweiß machte das Gummi widerspenstig.
Sie warf ihm eine Dose Puder zu. »Wenn schon Gummi, dann auch pudern«, rief sie, und er war sich nicht sicher, ob sie das doppelsinnig meinte.
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