Brennende Schuld
egal, Aussehen alles.
Karin schien aber auch gerade diesen Fotoblick draufzuhaben, denn sie klebte förmlich an seinen Lippen. Costa entschloss sich, seine Erfahrung als Ermittler zu nutzen, wenngleich er normalerweise diesen Berufsvorteil in seinem privaten Leben nicht ins Spiel brachte. Er half sich mit einem Wortspiel über seine Skrupel hinweg und sagte sich, wenn sie ihn so scharf ins Visier nimmt, kann ich das auch. Wir werden ja sehen, was dabei herauskommt.
Der Mann war Anfang fünfzig, trug ein schwarzes gut geschnittenes Hemd, eine schwarze Leinenhose, die von einem Gürtel mit Goldschnalle gehalten wurde, und Lederslipper der Oberklasse. Am Arm blitzte eine goldene Uhr. Er lächelte häufig und zeigte dabei seine makellosen Zähne. Er war Costa ebenso unsympathisch wie sein gesellschaftliches Gegenstück, Charon, der Penner auf dem Motorrad.
Inzwischen war der Inselrat Jaume Prats mit seinem Gefolge auf die Bühne gerückt.
»Siehe da, Señor Prats«, sagte Josefa. »Ich konnte ihn noch nie leiden.«
»Na, na, Mutter«, beschwichtigte El Cubano, »er hat immer gut für seine Familie gesorgt. Margarita ging es bei ihm besser als bei Trasilio. Und Laureana hat die besten Schulen und Universitäten besucht. Das hätte der kleine Professor doch gar nicht bezahlen können.«
Josefa hob abwehrend die Hände. »Meine Meinung steht fest. Er hätte nicht schweigen dürfen.« Ihre Hände umfassten mit einer erstaunlichen Kraft Costas Handgelenk. »Wenn du alles über diese Geschichte wissen willst, frag den alten Pep Forn.«
El Cubano lachte. »Pep Forn weiß alles. Alles über Fische.«
Ein Angestellter des Museums klopfte gegen das Mikrofon und bat um Aufmerksamkeit. Es wurde still, als Laureana Sanchez das Podium betrat.
Prats umarmte sie und warf einen Blick auf seine Vortragsseiten, die er auf das Pult unter das Mikrofon legte.
»Sehr verehrte Damen und Herren, meine lieben Freunde«, begann er. »Dies ist ein freudiger Tag für uns, ein Meilenstein in der Kulturgeschichte unserer Insel und die Erfüllung eines Lebenstraums für einen ganz besonderen Menschen: für meine Tochter Laureana.«
Sie bedankte sich lächelnd für den Applaus. Nach einer respektvollen Pause setzte Prats seine Rede fort.
»Vor zweitausend Jahren begruben die Phönizier ihre Toten unter der Erde, auf der wir stehen. Als siebenhundert Jahre später in Golgatha das Kreuz errichtet wurde, nutzten die Römer unseren Grund, um ihre Toten beizusetzen. Als sie von den Arabern vertrieben wurden, geriet ihre Totenstadt in Vergessenheit. Bauern pflanzten Oliven-, Mandel- und Feigenbäume in den Schächten, Architekten ließen Steine für den Bau ihrer Häuser aus dem Berg schlagen. Dass man sich überhaupt wieder an die Nekropolis erinnerte, haben wir einem Maultier zu verdanken.«
Da er dabei zu seiner Stieftochter sah, lachten einige, er wartete das Lachen ab und fuhr dann fort: »Dieses Maultier, zweifellos auf der Suche nach besonders schmackhaftem Johannisbrot, brach im Jahr 1946 über einer Grabkammer ein und bescherte uns den Fund des größten Hypogäums auf dem Areal. Einer der Museumsleiter, José Maña, sorgte dafür, dass diese Gräber dem Publikum zugänglich gemacht wurden. Aufgrund der Größe und Dichte der Kammern schätzte Maña ihre Anzahl damals auf dreitausend.« Er machte eine bedeutungsvolle Pause. »Heute wissen wir, dass es wesentlich mehr sind. Bisher haben wir nur an der Oberfläche gekratzt. Aber ab dem heutigen Tage«, er breitete seine Arme aus, »ist es uns dank der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen und den damit verbundenen Mitteln möglich, dieses kulturelle Erbe der Menschheit erschöpfend zu erforschen. Danke.« Unter dem Applaus der Zuhörer verbeugte er sich. Rechts neben ihm tauchte der Mann im schwarzen Hemd auf, Karins Gesprächspartner.
Während der Rede hatte sie sich zwischen Costa und Josefa gestellt.
»Wer ist denn dieser James Bond, mit dem du dich unterhalten hast?«, flüsterte er ihr zu, aber sie legte den Zeigefinger auf die Lippen und deutete in Richtung Bühne.
»Ich möchte Ihnen nun einen Herrn, einen wahren Don präsentieren«, schallte die Stimme des Inselrats durch den Raum, »der sich sehr um Ibizas Kultur verdient gemacht hat. Er kommt aus dem Königreich Belgien und hat sich in unsere schöne Insel verliebt. Einen Applaus für Señor Keulemans!«
» Muchisimas gracias a Ustedes « , tönte die Stimme Keulemans’ aus den Lautsprechern, und Costa musste zugeben, dass
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