Brennende Schuld
Costas Verantwortung hin die Entlassung angeordnet hatte.
Dr. Tur hatte ihm zu viel der Ehre erwiesen, als er von seinem Übereifer sprach. Er hatte Karin angerufen, sie war voller Besorgnis gewesen und hatte ihn abends nach Hause eingeladen, falls er entlassen würde.
Obwohl er sich sehr vorsichtig bewegte, behinderte ihn die Schulter auch beim Autofahren. Allerdings war seine Wut größer als sein Schmerz. Für ihn bestand kein Zweifel, dass der Motorradfahrer, der ihn hatte umbringen wollen, der gleiche war, der vor dem Museum gewartet hatte. Hinter all dem steckte Keulemans. Dieser Belgier war ein eiskalter professioneller Mörder, jetzt hatte er einen Fehler gemacht. Costas herausfordernde Art hatte ihn offenbar aus der Fassung gebracht. Genau darauf hatte er spekuliert, als er gestern Keulemans’ Halsschmuck ansprach und preisgab, dass der Talisman eines der gravierenden Indizien war. Der Bursche hatte sich allerdings bis zum Ende des Abendessens gut in der Hand gehabt und sich nichts anmerken lassen. Aber schon bald nachdem sie aus dem Wald raus und auf der normalen Straße nach Ibiza-Stadt waren, hatte er das Gefühl gehabt, dass jemand ihnen folgte.
Keulemans hatte einen Fehler gemacht, und Costa würde ihm sobald wie möglich und so überraschend wie möglich gegenübertreten, um ihn zu einem weiteren Fehler zu veranlassen.
Im Rückspiegel sah er einen Wagen, der ihm folgte. Damit hatte er gerechnet. Er fuhr einen Umweg durch zwei Seitenstraßen. Als er wieder auf die Schnellstraße nach St. Antonio einbog, war der Wagen verschwunden. Er hatte sich also geirrt. Kann immer mal vorkommen, dachte er eher ärgerlich als besorgt über seinen Zustand. Vielleicht brauchte er einen Schluck, um sich zu stabilisieren.
Als er einen Supermarkt an der Ecke vor sich sah, fuhr er rechts ran, parkte und ging hinein.
Er kannte alle Einwände gegen Absinth, aber er wusste auch, dass der ihm die unmittelbare Angst erst einmal nehmen würde.
Er legte die Tüte mit der Flasche auf den Beifahrersitz, fuhr aber nicht los.
Er hatte keine Ahnung, wie er den Abend bis zu der Verabredung mit Karin herumbringen sollte. Er wusste, wenn er jetzt keine Entscheidung träfe, würde er grübeln und trinken. Er wollte keinen aus dem Team sehen, er brauchte keine Unterhaltung, er hatte nicht einmal Hunger. Eine derartige Leere war ihm nicht fremd, und die einzige Möglichkeit, sie zu überbrücken, war die Arbeit. Er fuhr ins Büro, ging in sein Arbeitszimmer, schaltete den Computer ein, riss alle Notizen aus seinem kleinen Notizheft und breitete sie auf dem Schreibtisch aus. Er stellte die noch geschlossene Absinthflasche zusammen mit einem Glas aufs Fensterbrett. Er betrachtete beides eine Weile. Er wollte sich mit beiden Händen durchs Haar fahren, wie er es gewohnheitsmäßig tat, ließ aber die Linke vor Schmerz sinken und setzte sich wieder hinter den Schreibtisch. Er verfügte über die Umrisse eines Verbrechensablaufes; nicht, dass er wirklich davon überzeugt gewesen wäre, aber eine Arbeitshypothese, die er nun dringend brauchte, konnte er allemal aufstellen.
Es war seine Angewohnheit, sich vorzustellen, dass die anderen im Team ihm gegenübersaßen, er hörte ihre Einwände, er erbrachte Beweise und suchte neue Lösungen. Natürlich war es besser, die realen Einwände Elenas, des Bischofs oder des Surfers zu hören, aber wenn er das wirklich brauchte, konnte er sie anrufen. Wenn er alleine klarkam, würde er morgen das Ergebnis vortragen und an ihrem Widerstand testen, wie haltbar seine Argumente waren.
Arbeit ist ein Ablenkungsmanöver, das wusste er schon seit den Schwierigkeiten mit Sabine in Hamburg. Die Überlegung, wer die Männer und den Seemann umgebracht hatte, wurde immer wieder von den Gedanken an Karin gestört. Wie konnte er die Beziehung zu ihr gestalten, so dass beide einen Gewinn davon hatten? Sie wollte darüber nicht mit ihm diskutieren. Sie überließ die Dinge den konkreten Situationen und ihren persönlichen Impulsen. Sie konnte zehnmal darauf verzichten, mit ihm irgendwo essen zu gehen, brauchte wochenlang keinen Schluck Wein, es war ihr ebenso recht, zu Hause alleine zu Bett zu gehen und zu lesen, wie lange im Büro zu sitzen und zu arbeiten, sie nahm es hin, wenn er kochte, es wäre aber auch ebenso gut gewesen, nur einen Salat zu essen oder einen Früchtetee zu trinken, und auf keinen Fall hätte sie protestiert, wenn er wünschen würde, dass sie kochte. Für ihn aber sah das alles ein
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