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Brennende Schuld

Brennende Schuld

Titel: Brennende Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Driest
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den belebten Straßen der nächtlichen Stadt bis auf den Hügel drangen, war nichts zu hören.
    Als nach ein paar Minuten immer noch nichts passierte, klappte er den Ordner zu, stellte ihn zurück, löschte das Licht und ging schnell zum Fenster. Draußen war alles ruhig. Nicht einmal ein Auto war zu sehen. Er entschloss sich, das Haus zu verlassen, und tat das unter Beachtung aller Vorsichtsregeln.
    Die Nacht war sternenklar, und die Luft hatte sich inzwischen um einige Grad abgekühlt.
    Als er sich aus dem Schatten des Eingangs löste, setzte ein leichter Wind ein, der Musik aus den Straßen der Altstadt herüberwehte. Seine Nerven mussten ihm einen Streich gespielt haben, an der Tür war wohl niemand gewesen.
    Er ging auf sein Auto zu, doch nach einigen Schritten ließ ihn ein plötzliches Aufheulen herumfahren. Es schnitt ihm in die Ohren, als hätte jemand eine Kettensäge angestellt. Ein Motorrad raste auf ihn zu. Costa war vom ersten Tag seiner Ausbildung an darauf trainiert, immer erst genau hinzuschauen, wie sein Gegner gerüstet war und wie er agierte, bevor er sich in Deckung brachte. Es war eine Geländemaschine, auf der ein Fahrer mit einem altmodischen Kugelhelm saß, die linke Hand am Griff der Lenkstange, die rechte hoch in die Luft erhoben. Costa begriff, dass der Fahrer im Begriff war, etwas in seine Richtung zu werfen. Etwas Helles, Flackerndes.
    Er wandte sich blitzschnell um und sah das halb geöffnete Tor in einer Gartenmauer nur etwa drei Schritte entfernt. Er hechtete los in Todesangst, warf sich in den Spalt zwischen Tor und Mauer und landete in einem Rosenbeet.
    Als die Explosion für einen kurzen Moment alles in weißes Licht tauchte, lag er schon auf dem Boden, den Kopf zwischen den Armen. Vor seinen zusammengepressten Augen loderte der Name Keulemans wie ein glühender Schriftzug.

kapitel einundzwanzig
    Es war im August des folgenden Jahres. Es war heiß. Während sie schlief und träumte, lief eine Fliege über ihr Gesicht und kitzelte sie. Ihr rasend schnelles Getrappel war erst ganz weit weg, ein Gefühl, als zöge jemand einen Bindfaden über die Oberfläche ihres himmelweit entfernten Gesichtes. Sie wälzte sich, um diesen nervösen Schatten zu verscheuchen, er verschwand und kam wieder. Wie ein mit Luft gefüllter Kanister im Wasser stieg ihr Bewusstsein langsam auf, bis es an die Oberfläche ploppte. Ihr Gesicht zuckte, die Fliege flog auf, landete aber sogleich auf ihren Lippen. Sie biss zu, aber die Fliege entkam und griff wieder an. Doch nun war sie wach und zog das Laken übers Gesicht.
    Sie wusste, die Fliege war vorher nicht da gewesen. Jemand war während der Nacht heimlich in ihr Zimmer gekommen und hatte sie mit hereingebracht. Sie neigte nicht nur zu großen Visionen, auch diese Kleinigkeiten des Alltags entgingen ihrer Wahrnehmung nicht.
    Wer war in ihrem Zimmer gewesen? Hatte sie Angst?
    Angst bedeutete für sie ein Sich-Auflösen-im-Nichts. Ein Versinken in Treibsand. Ein langsames Ersticken. Sie wehrte sich dagegen und schaffte es mit Wut. Sie war wütend. Sie würde die Fliege töten, ohne Eile. Sie konnte ihr nicht entgehen. Sie würde einen Plan machen und sie zur Strecke bringen. Nur wollte sie jetzt erst einmal ihren Traum wiederfinden. Das Gefühl des Schreckens spürte sie immer noch, aber sie wusste, dass es ein wichtiger Traum war und der Schrecken nur eine Stimmung, die sie zu durchschreiten hatte wie einen Nebel.
    In diesem Nebel versinken – sie musste lernen, solche Angst zu überwinden.
    Den Drachen töten, sich aber nicht vom plötzlichen Wetterleuchten des eigenen Schreckens verjagen lassen. Den Plan ausführen, unerbittlich weitermachen, das Herz in der Hand. Einen Fuß vor den anderen setzen, nie verharren. Sich dem Ziel nähern, ohne sich umzusehen. Eins werden mit dem Ziel. Erlöst sein.
    In dem Traum wurde sie verfolgt. Ihre Verfolger waren wie Schatten. Sie trugen eine lange Kiste und wollten, dass sie hineinsähe, aber sie tat, als würde sie nichts bemerken. Die Angst und der Kampf dagegen hatte sie so erschöpft, dass sie sich auf einer Bank am Rande eines Spielplatzes ausruhen wollte. Sie war ja selbst noch ein Kind und wollte mit den Kindern spielen, die in einem Sandkasten buddelten, aber sie kamen mit der Kiste, und schnell musste sie wieder fliehen. Es war eine Tonkiste, das Bild eines karthagischen Ruderers auf dem Deckel. Weil sie so schwer war, setzten die Verfolger sie ab. Ohne diese Last waren sie nun schnell genug und fingen sie.

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