Brennende Schuld
Labor der Gerichtsmedizin fuhren, übernahm Elena das Steuer, weil ihn die Schulter zu sehr schmerzte und er mit dem Bischof telefonieren wollte. Er berichtete, der Surfer habe Recht gehabt, Trockeneis war an die Diskotheken und weitere dreißig Firmen geliefert worden.
Nachdem Dr. Torres einige kurze Untersuchungen mit Keulemans’ Medikamenten vom Müll gemacht hatte, rückte er seine Brille zurecht. »Kalziumcarbonat habe ich in dieser Menge noch nie in Tablettenform gesehen,« sagte er.
Elena zerbröselte eine der Pastillen zwischen den Fingern.
Costa unterdrückte seine Ungeduld: »Und was bitte ist Kalziumcarbonat?«
»Kalk, natürlich«, antwortete Torres. »Du weißt schon, das Zeug, mit dem Kinder an Schultafeln schreiben und die Bauern nach dem Roten Regen ihre Häuser weißen.«
»Keulemans importiert also Kalk«, sagte Elena. »Das ist nicht strafbar.«
»Nein«, sagte Torres, »ebenso wenig wie Babyöl in Cognacflaschen, Waschmittelpulver in Kokainsäcken, Kochsalzlösung für Fixer.«
»Dennoch ist es unzulässig, Waren falsch zu deklarieren.«
Torres lachte. »Na und?«
Costas Mobiltelefon klingelte, und er hörte die aufgeregte Stimme des Bischofs: »Ich hab was! Die Firma, bei der ich gerade bin, hat Trockeneis ausgeliefert – was denkst du, an wen?«
»Sag’s einfach.«
»An das Museo Monográfico. Ziemliche Mengen, und zwar regelmäßig. Und noch etwas: Die Firma heißt Fripra S.A. Klingelt da was bei dir?«
»Frigoríficos Prats«, sagte Costa.
Dr. Sanchez sei auf einem Kongress in Barcelona, teilte ihm die Rothaarige mit; sie werde mit der Nachmittagsmaschine zurückkommen. Vielleicht könne sie so lange weiterhelfen? Costa fragte nach den Trockeneislieferungen. Davon wisse sie nichts.
Er entschied sich, die Sanchez bei der Ankunft am Flughafen zu erwarten und sie gleich dort zu fragen. Das war für ihn die einfachste Lösung.
Sie hatte kein Gepäck und war die Erste, die herauskam – kraftvollen Schrittes, nicht hastig, aber wie jemand, der wusste, was er wollte und keine Zeit zu verlieren hatte. In ihrem klassisch dunkelblauen Kostüm mit weißer Bluse wirkte sie streng und unnahbar.
Er begrüßte sie, sie nickte, verminderte jedoch nicht ihr Tempo und ging zügig auf den Ausgang zu.
Er nahm nicht an, dass sie mit dem eignen Wagen da war oder überhaupt einen Führerschein hatte und bot ihr an, sie mit in die Stadt zu nehmen. Sie ging zum Parkplatz hinüber, ohne auf sein Angebot zu reagieren. Plötzlich blieb sie stehen und wandte sich ihm gänzlich zu. Es war ihm zu unwichtig, um sich Gedanken darüber zu machen, was sie wollte oder wie er ihr Verhalten zu verstehen hatte.
»Wo ist denn Ihr Auto?«, fragte sie, als hätte sie gerade mit Erstaunen festgestellt, dass der ganze Parkplatz leer ist.
»Wir sind schon dran vorbei.« Er zeigte auf seinen Wagen gegenüber den Taxis.
Ohne ein Wort machte sie kehrt und marschierte darauf zu.
Als sie im Auto saßen, begann sie unvermittelt von der Feuerstelle in der Höhle zu sprechen, leitete aber gleich über zu punischen und phönizischen Feuerstellen im Allgemeinen und war mit den nächsten Sätzen bei dem Kongress in Barcelona, von dem sie kam. Zuerst schien sie Geduld mit Costa zu haben, allerdings gab er sich auch alle Mühe, ihr zu folgen. Dann begann sie, ihn hinter sich zurückzulassen, und bald gab sie allen Anspruch auf Konversation auf. Sie sprach zu einem Archäologiekollegen, einem nicht vorhandenen Seelenverwandten. Sie gönnte ihm nicht einmal mehr einen gelegentlichen Blick, sondern sah rechts aus dem Fenster und redete nur noch für ihre eigenen Ohren. Costa wusste nicht, ob er versuchen sollte, sie zu unterbrechen, um sein Anliegen anzubringen. Vielleicht musste sie das erst loswerden, die Rettung und Bewahrung dieser längst vergessenen Zivilisation, ehe sie sich mit einer alltäglichen Sache beschäftigen konnte, wie dem Trockeneis.
Sie kehrte erst wieder auf den Boden der Realität zurück, als er vor dem Museum in der Via Romana hielt. Er wandte sich ihr zu, und nun schien sie ihn wieder zu bemerken. Ihr Ton verlor den monotonen Ernst, und bald redete sie wieder in allgemeineren Begriffen, die er verstand, ohne ihren Redefluss zu unterbrechen. Sie sprach von deutschen Grabungen im Quartier Magon mit seiner punischen Stadtmauer und dem Tempel des Baal Hammon, der zur Zeit der Gründung Karthagos errichtet worden war. Die Ausgrabung habe sich überaus schwierig gestaltet, weil die Römer ihn mit einer
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