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Brennende Schuld

Brennende Schuld

Titel: Brennende Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Driest
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Sie brachten sie zurück, damit sie hineinschaute. Sie hoben den Deckel ein paar Zentimeter an, aber es reichte nicht, um etwas zu sehen. Sie nahm den Geruch einer verbrannten Leiche wahr, und sie wusste auch, dass sie behaupten würden, es sei ihr Vater. Sie wollte es nicht hören, eine Lüge, sie schrie und trat und kratzte, brachte aber keinen Laut hervor. Wie unter Wasser waren ihre Bewegungen langsam und wirkungslos, während ihr Haar in die Höhe schwebte. Sie riss die Augen auf. Von einer Welle, durch ihre Augenlider bewegt, wurde der Deckel nun angehoben. Sie konnte nicht weg, weil Bleischuhe sie am Meeresboden hielten. Etwas berührte sie, als wäre ihre Haut in weiter Ferne. An der Wasseroberfläche. Etwas surrte darüber hinweg – die Fliege. Würde sie jetzt über das Bettlaken rennen, das sie über sich gezogen hatte, und ihre Lippen suchen?
    Jemand kam ins Zimmer und setzte sich an ihr Bett. Es war die Mutter, und sie fragte, warum sie nicht zur Schule gehe. »Obwohl du nicht frühstückst, ist es zu spät. Was ist los mit dir?«
    Sie saß auf der Kante und stützte sich, halb über ihre Tochter gelehnt, mit der Hand auf die ihr entfernte Seite des Betttuches, so dass sich das Mädchen nicht bewegen konnte.
    Wie leicht ist es jetzt für sie, mir die Luft zu nehmen, dachte sie. Dabei überlegte sie, ob die Mutter sie noch bezwingen könnte, bevor sich der Entzug ihrer Medikamente ausgewirkt haben würde. Papi hatte ihr ein feines Tischsalz empfohlen, das sie heimlich in die gelben Patronen einfüllte, nachdem sie das Insulin ausgeschüttet hatte. Es war ihr eine heilige Pflicht, niemals würde sie es versäumen.
    Als die Mutter näher kam, roch sie wie die Gardinen in ihrem Schlafzimmer. Ihr dunkelroter Mund kam ihr so nahe, dass sie den weißen Puder auf ihrer Haut sehen konnte. Einige Partikelchen waren größer und klebten wie kleine Floheier in den manchmal geweiteten Poren, besonders unter den Augen und auf der Spitze ihrer Nase. Ihre Haut war nicht weiß, sondern grünlich, eine Farbe, die sie hässlich fand. Sie versuchte ihr zu entkommen, aber die Mutter klemmte das Laken noch fester und sagte: »Wenn du nicht pünktlich bist, darfst du nicht zur Schule gehen. Das weißt du. Du bleibst also heute in deinem Zimmer.«
    Ihr Herz raste, und sie suchte mit den Augen überall herum, ob sie die Fliege sehen könnte.
    »Sieh mich an«, sagte die Mutter. »Ich möchte wissen, ob du mich verstanden hast.«
    »Nein«, log sie und betrachtete die Pupillen der über sie gebeugten Frau.
    Die Mutter machte »puch«, stand auf und verließ das Zimmer.

kapitel zweiundzwanzig
    Wie elektrisiert fuhr er hoch. Das Geräusch eines vorbeifahrenden Mopeds ohne Auspuff. Er öffnete die Augen und ließ sich zurücksinken. Er lag in einem Krankenhausbett. Der Schmerz in seiner Schulter ließ ihn aufstöhnen. Neben ihm stand ein Arzt. Sonne fiel in das Zimmer und auf den weißen Kittel.
    Er brauchte einen Moment, um sich zu erinnern. Der Abend mit Karin und Keulemans, seine Wut, sein Einbruch, der Anschlag.
    »Sie haben unwahrscheinliches Glück gehabt«, sagte der Arzt.
    »Trotz Ihres Schocks haben Sie gleich nach der Einlieferung im Krankenhaus telefoniert und einer Kollegin den Auftrag gegeben, den Täter zu verhaften. Sie wollten es sogar selber tun, aber der Kollege in der Notaufnahme hat Sie erst einmal hier behalten. Jetzt wollen wir uns gleich noch einmal Ihre Schulter ansehen.«
    Costa schlug die Bettdecke zurück und befühlte den grünen Krankenhauskittel. Das schöne weiße Hemd war zum Teufel. Ob Karin benachrichtigt worden war?
    Als er den Arm bewegte, spürte er einen stechenden Schmerz. Vorsichtig fuhr er mit der rechten Hand darüber.
    Die Tür des Zimmers öffnete sich, und eine junge, schwarzhaarige Krankenschwester schaute herein. Als sie sah, dass der Arzt bei ihm war, trat sie mit einem fröhlichen Lächeln näher. »Ihre Kollegin hat das hier für Sie abgegeben«, sagte sie und hielt ein Bündel Kleidung hoch, das sie auf den Stuhl legte. »Bevor Sie sich anziehen, möchte Dr. Tur Sie noch einmal anschauen.«
    Der Arzt grinste ihn nachsichtig an und sagte, er sei Dr. Tur. Er untersuchte ihn und entschied, dass er bis zum Abend bleiben müsste. Abends kam er wieder und wollte ihn noch länger dabehalten, aber dieses Mal gab Costa nicht nach. Der Arzt warnte ihn, dass sein Übereifer zwar lobenswert sei, aber schaden könnte. Dann gab er ihm noch einige Ratschläge mit auf den Weg, nachdem er auf

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