Brennende Schuld
herumzufahren. An dem Abend des Anschlags auf Costa habe er zusammen mit seiner Mutter die Nachtmesse in der Kirche Santa Maria besucht. Sie überprüften das und stellten fest, dass zu der fraglichen Zeit eine Messe stattfand. Der Surfer fragte, ob sie weiter Druck machen sollten, aber Costa verzichtete erst einmal darauf. Er war nervös, denn es war mittlerweile spät am Nachmittag, sein Kreislauf war unten, und er brauchte dringend etwas zu essen.
Sie fuhren vor den Limousinen des Inselrats und seiner Leibwächter her. Im Rückspiegel sah er, dass sie dicht hinter ihnen waren.
Als sie in der Gerichtsmedizin ankamen, und Torres seine »Schatzkammer« öffnete, warf Prats einen kurzen angeekelten Blick auf den Leichnam, hielt sich ein Tuch vor die Nase und wandte sich ab. Er war kreidebleich.
»Kein schöner Anblick«, murmelte Torres, während er den Toten wieder zudeckte.
»Kannten Sie ihn, Herr Inselrat?«, fragte Costa, und die Situation war so seltsam, dass alle drei fast in ein wieherndes Gelächter losgeplatzt wären.
Der Inselrat bekam einen Hustenanfall, es schien, als müsse er sich übergeben. »Woher soll ich das wissen?«, sagte er. »Lassen Sie uns hier weg. Furchtbar.«
»Der Mann ist – wie auch die beiden anderen – in einer Höhle umgebracht worden, die in unmittelbarer Nähe von Keulemans’ Firma liegt. In dieser Höhle wurden höchstwahrscheinlich Drogen hergestellt oder über den Zugang zum Meer dort hingebracht und dann durch die Zisterne einer alten Finca nach oben und in Keulemans Firma geschafft. Als Medikamente durch neue Verpackungen getarnt, wurden sie dann nach Andorra und von dort auf die europäischen Märkte weitergeleitet.«
»Sie sagten doch etwas von Ritualmord. Das könnte dann doch eine ganz andere Sache sein.«
»Ja, könnte. Wir wissen das nicht.« Mafiöse Strukturen bis in Regierungskreise, schoss es ihm durch den Kopf.
»Ich glaube, ich kann Ihnen da gar nicht weiterhelfen.«
»Sie kennen die Finca, deren Brunnenschacht als Zugang diente?«
»Keine Ahnung.« Prats war ein erfahrener Politiker. Interviews stellten für ihn kein Problem dar. Er sagte nur, was er sagen wollte.
»Die alte Finca in der Totenstadt«, sagte Elena.
»Ach, ich weiß. Die Finca war laut Bebauungsplan des Conseill Balear abzureißen, weil sie sich auf dem Gelände der Nekropolis befand und die Ausgrabungen behinderte. Ich wollte da behilflich sein und …«
In diesem Moment klingelte Costas Mobiltelefon. Es hätte ihm nicht ungelegener kommen können. Der Kollege von der Überwachungseinheit ließ ihn wissen, dass die Abhörbänder von heute zu seiner Verfügung stünden.
»Danke, aber das hat Zeit«, versuchte Costa ihn abzuwimmeln. Der Typ begriff nicht, dass sein Anruf gerade nicht passte, und redete weiter.
»Ich dachte, es könnte Sie interessieren, dass Keulemans mit einer Karin Schäfer essen war und sie ihn anschließend nach Hause gefahren hat.«
Costa fühlte einen Stich. Einen Moment lang hielt er stumm das Telefon ans Ohr gepresst. Er nahm Elenas verwunderten Blick wahr und zwang sich, das Telefon wegzustecken. Er verbeugte sich steif und unpassend und bat Elena, ihn zu vertreten.
Als er seinen Wagen aus der Parkposition fuhr, musste ein Lieferwagen hart bremsen, um einen Unfall zu vermeiden. Doch Costa bemerkte es gar nicht und raste zum Präsidium.
kapitel fünfundzwanzig
Das Tonbandgerät stand vor ihm, ein Nagra SN, Schweizer Modell.
Costa drückte die Abspieltaste und hörte sogleich die Stimme Keulemans’. Er plauderte mit Karin über den Abend neulich bei ihm zu Hause, wie man das so tut, wenn man ein paar schöne Stunden zusammen hatte. Aber Costa verschlug es fast den Atem. Die Stimme beschrieb den Abend nicht – sie besang ihn als überraschend, voller Liebreiz, lobte Karins Sinn fürs Kochen, lobte sie für ihren guten Geschmack und die interessanten Gespräche. Ein Abend, der ganz der Stimme gehörte, die ihn kreierte, ihm Gestalt, Inhalt und die höchsten Bewertungen gab. Die Stimme war sonor, zärtlich und berauschend – Eigenschaften, wie Karin sie sicher in Keulemans sah. Doch dann wechselte die Stimme in eine andere Tonlage.
»Dein Freund ist ein sehr eigenwilliger Mensch, nicht wahr? Eine starke Persönlichkeit, wie man sagt.«
»Danke.« Karin sprach anscheinend mit dem Kellner. »Ohne Kohlensäure, bitte.«
Costas Puls raste. Er gestand sich ein, wovor er Angst hatte: dass sie dem Fremden etwas über ihre Beziehung sagen könnte, was sie ihm
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