Brennende Schuld
niemals sagen würde.
»Er ist sonst nicht so. Ich weiß gar nicht, was mit ihm los war.«
»Vielleicht ist er einfach überarbeitet. Du sagtest ja, dass ihn dieser Mordfall sehr beschäftigt. Rot- oder Weißwein?«
»Weißwein, bitte. Natürlich ist er überarbeitet. Das ist sein Dauerzustand. Er hat ja nicht umsonst einen Tinnitus. Aber dieses Mal war es mein berufliches Terrain. Ich würde mich in Gegenwart seiner Guardia-Leute jedenfalls nicht so aufführen.«
Costa stöhnte. Das musste ja kommen. Bevor er mit Elena zum Flughafen gefahren war, hatte er sich Santander anhören müssen, der ihn vor allen Kollegen herunterputzte, weil auf dem Titelblatt des Diario, das er Costa unter die Nase hielt, die Schlagzeile zu lesen war: »Verstümmelte Leiche am Strand von Figueretas«. Costa war sprachlos gewesen. Außer seinem Team, dem er blind vertraute, und Karin wusste niemand die Details, die sich in dem Artikel fanden.
Er hatte sie sofort angerufen und zur Rede gestellt. »Es ist mein Beruf, die Öffentlichkeit zu informieren«, war ihre Antwort gewesen. Er hatte sie an ihr Versprechen erinnert, aber sie widersprach, er habe ihr nicht verboten zu schreiben, sondern nur gesagt, bitte kein Foto. Siehst du etwa ein Foto?, war ihre Frage gewesen.
Begreifst du denn gar nichts, hatte er wütend gefaucht. Wir sind nicht in Hamburg. Die Touristen sind nur vier Monate hier. Da wollen sie am Strand liegen und ihren Urlaub genießen. Teile von gefolterten Leichen in ihrem Planschbecken mögen sie nicht. Das kann mich meinen Job kosten!
Gut, hatte sie geantwortet, dann such dir einen anderen, und das Gespräch war beendet.
»Was meinst du mit deinem ›beruflichen Terrain‹? Unseren Abend?«
»Ja, den auch«, kam Karins genervte Stimme. »Aber eigentlich meinte ich seinen Versuch, mir ein Berufsverbot zu erteilen.«
»Wie das?«, Keulemans’ Stimme klang jetzt erstaunt.
»Sie haben eine Wasserleiche am Strand von Figueretas gefunden, das heißt, ich habe sie gefunden. Sie sah fürchterlich aus.« Karin schwieg für einen Moment, und durch die starke Kompression des Aufnahmematerials wurden die Hintergrundgeräusche lauter. Costa glaubte, Keulemans noch einmal nachfragen zu hören.
Dann wieder sie: »Er hat mich gebeten, das Foto, das ich von der Leiche gemacht habe, nicht zu veröffentlichen. Und ich dumme Kuh habe mich daran gehalten. Was ist der Dank? Er macht mir Vorwürfe, dass ich darüber schreibe.«
Eine fremde Stimme fragte: »Das Confit von der Ente in ibizenkischer Orangensauce?«
»Für die Señora.« Keulemans sprach mit überlegen klingender Stimme. Dann Geklapper von Geschirr und Gläsern.
»Schmeckt wirklich super. Bist du öfter hier?«
»So oft ich kann. Ich liebe diese Kirche. Sie wurde zwar von keinem Bischof geweiht, dafür aber von einem der ersten Köche Spaniens.«
Lautes Gelächter vom Nebentisch übertönte den nächsten Teil des Gespräches. Als der Lärm abebbte und Costa wieder mithören konnte, hatte er möglicherweise etwas Wichtiges verpasst. »… dir helfen kann, wird sich zeigen«, hörte er schließlich.
»Ich kann es dir geben, ich brauche es sowieso nicht mehr. Auf CD?«
»CD ist gut.«
Die Musik im Hintergrund wurde lauter, jemand schien Geburtstag zu feiern.
Costa stoppte das Band und ließ es noch einmal zurücklaufen. Er konzentrierte sich und hörte jetzt Keulemans: »Ob ich dir helfen kann, wird sich zeigen.«
»Ich kann es dir geben, ich brauche es sowieso nicht mehr. Auf CD?«
»CD ist gut.«
Costa stoppte an dieser Stelle und spulte es noch einmal zurück.
Der Bischof rief ihm etwas zu, aber Costa wies ihn barsch an, für einen Moment die Schnauze zu halten. Er drückte die Kopfhörer fester und schloss die Augen, damit nichts von seiner Konzentration verloren ginge.
»… das auf jeden Fall gerne mal ansehen. Ob ich dir helfen kann, wird sich zeigen.«
»Ich kann es dir geben, ich brauche es sowieso nicht mehr. Auf CD?«
Costa stoppte wieder und fuhr noch einmal zurück. Noch mal Play: »Ich würde mir das auf jeden Fall gerne mal ansehen«, meinte er jetzt verstehen zu können. »Ob ich dir helfen kann, wird sich zeigen.«
»Ich kann es dir geben, ich brauche es sowieso nicht mehr. Auf CD?«
Von hier an ging alles in Musik unter. Nur noch einmal wurde es klarer. Keulemans schlug vor: »Wenn du möchtest, können wir noch schwimmen gehen.« Ihre Antwort ging im lauten Jubel und Applaus der Geburtstagsgesellschaft unter.
Wütend riss sich Costa die
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