Brennende Schuld
den verbrannten Leichen gefunden hatten, könnte einem von ihnen gehört haben.
Der Mann verstand nicht gleich, aber seine Frau sagte mit Entschiedenheit, sie hätten keinen Schmuck getragen, auch keinen Talisman oder Armreif, gar nichts.
Costa fragte sie, wie alt die beiden etwa waren. Die Frau schätzte sie auf achtzehn oder zwanzig. Sie beschrieb sie als groß und kräftig. »Nicht unterernährt oder so was«, fügte sie hinzu.
»Und am selben Abend gab’s dann wieder die Gesänge, so dass Sie nicht schlafen konnten?«, fragte Costa weiter und bemerkte, dass alles viel intensiver duftete als an den Abenden zuvor – Rosmarin, Thymian, Liebstöckel und Minze.
Der Mann nickte und wollte spontan seine Frage bejahen, aber dann stockte er, sah seine Frau an und überlegte. »Nee. Abends nicht. Oder?«
Sie war sich da sicherer. »Nein. Wir waren beide froh, dass es ruhig blieb.«
»An welchem Abend in der letzten Woche haben sie denn wieder gesungen?«
Der Mann starrte ihn an. »Nein«, sagte er, »jetzt, wo Sie es sagen, nein, die haben gar nicht mehr gesungen.«
»Und der Bratengeruch oder was das war, dieser Gestank, wann war der zum letzten Mal?«
Beide sahen sich an und schüttelten den Kopf. Offenbar waren sie selbst überrascht über ihre Wahrnehmung. Sie hatten sich schon so an ihre Vorstellung gewöhnt, dass die Farbigen beim Belgier Katzen brieten und nachts sangen, dass all das auch weiter geschah, obgleich die beiden jungen Afrikaner schon tot waren.
Alles passte zusammen. Keulemans hatte die beiden Männer auf seinem Grundstück wohnen lassen oder – womöglich treffender – er hatte sie dort kaserniert. Eingesperrt. Sie konnten wahrscheinlich kein Wort Spanisch und hatten niemals einen Menschen auf der Insel kennen gelernt. Ein Fahrer holte sie morgens ab, fuhr sie in die Höhle und brachte sie anschließend wieder auf das abgelegene Grundstück.
Hätte das deutsche Paar sich nicht in seiner Ruhe gestört gefühlt, wären sie niemals aufgefallen.
»Ich danke Ihnen«, sagte Costa. »Ich oder einer meiner Kollegen hat sicherlich noch ein paar Fragen. Kann ich mir Ihre Telefonnummer notieren?«
Der Mann nickte, und Costa gab die Nummer in sein Mobiltelefon ein, während die Frau wissen wollte, ob etwas passiert sei oder die beiden jungen Männer etwas verbrochen hätten.
Ihr Mann merkte, dass Costa darauf nicht antworten wollte, und merkte solidarisch an, sie möge ihren Allerwertesten ins Auto schwingen, sonst müsse sie daheim bleiben.
Im nächsten Moment saß er hinter dem Steuer und schaltete das Licht ein. Sie war weniger behände, und als er anfuhr, knallte ihre noch offene Tür zu. Costa sah ihnen nach, während die Frau aus dem geöffneten Fenster winkte. Auch er hob die Hand zum Abschied.
Nun hatte er die Nachbarn kennen gelernt, aus deren Haus das Licht durch die Bäume geblinkt hatte, als er mit Karin nach dem Essen bei Keulemans durch den Waldweg gefahren war. Keine Kinder, keine große Familie, keine Idylle. Nur die Langeweile, sich jeden Tag im Paradies einen guten Morgen zu wünschen, die Zeitung aus der Heimat zu lesen und den Gärtner zu kontrollieren, wenn er, müßig auf die Harke gestützt, zu lange auf seinem Mobiltelefon telefonierte. Das Gefängnishafte ihres Daseins blieb ihnen verborgen, weil es selbst gewählt und luxuriös war.
Costa schnupperte in die Luft. Roch es verbrannt, oder täuschte er sich? Er zog sein Hemd aus und trocknete sich mit dem unteren Teil den Nacken ab. Er könnte mit seinem Auto zu Keulemans fahren. Oder sollte er erst noch Elena anrufen und um Verstärkung bitten? Auf seinem nackten Oberkörper spürte er die Bewegung von warmer Luft. Tatsächlich schien der Wind zuzunehmen, jedenfalls in den Baumkronen, deren Rauschen ihm wie eine gute Nachricht ein Sommergewitter ankündigte. Er lauschte und nahm aus der Ferne ein stärkeres Geräusch wahr. Es klang wie ein Sturm oder ein herunterkommender Platzregen. Aus der entgegengesetzten Richtung ertönte ein dumpfes Grollen. Das konnte nur ein Gewitter sein. Als er zum Himmel schaute, sah er dünne Fahnen schwarzer Wolken. Er blieb stehen. Ein scharfer brenzliger Geruch umgab ihn plötzlich, und die sengende Hitze nahm zu. Die Luft war satt vom Duft verbrannter Pinien. Er musste noch dreißig Meter gehen bis zu seinem Auto, als Tiere aus dem Wald ihm entgegenkamen. Wachteln trieben ihre Küken vor sich her, Kaninchen, Feldmäuse und Wildkatzen schossen ungeachtet ihrer Feindschaft in die gleiche
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