Brennende Sehnsucht
ihn.
Ganz zu schweigen von der Gefahr, dass jeden Augenblick dieser Dorfvikar aus dem Ballsaal stürmen und eine Verlobung von ihm fordern könnte, um dem Ganzen ein Ende zu machen.
Verlobung. Heirat.
Etwas ziemlich Interessantes spielte sich in seinem Innern ab.
Verheiratet mit der hübschen Miss Phoebe Millbury, dem uneleganten kleinen Nichts frisch aus den Wäldern von Devonshire. Warum schreckt ihn dieser Gedanke nicht ab, sondern
hielt ihn so lange in seiner warmen, großzügigen, geschmeidigen Umarmung?
Fast hätte er ihr auf der Stelle einen Antrag gemacht.
Im letzten Augenblick besann er sich. Er konnte Calder förmlich hören, wie der ihm einen Vortrag über die Übel der Impulsivität hielt. Rafe zähmte das merkwürdige Verlangen, sie für sich zu reklamieren, das dieses Mädchen in ihm hervorrief, und hielt es fest. Die Saison hatte gerade erst angefangen. Er hatte noch genügend Zeit, Miss Millbury besser kennenzulernen.
Außerdem gefiel ihm die Idee. Der Gedanke, den Sommer in ihrer Gesellschaft zu verbringen, ihr den Hof zu machen, sie mit kleinen Geschenken zu überraschen – gerade genug, um ihr Freude zu bereiten, ohne ihr dabei den Kopf zu verdrehen -, mit ihr im offenen Wagen durch den Hyde Park zu fahren...
Er würde das hier richtig machen. Er würde für sie den Gentleman geben. Er hatte Zeit genug.
Eine neue Ruhe überkam ihn, glättete die scharfen Kanten seiner früheren Unzufriedenheit mit Calders Willkür. Eine unaufgeregte Werbung um Phoebe Millbury wäre die Heilung seiner derzeitigen ruhelosen Unzufriedenheit.
Wenn seine Investitionen Gewinn brachten und seine Zeit gekommen war, dann würde er ihrem sehr angesehenen Vater mit Gold in den Taschen und dem Hut in der Hand seine Aufwartung machen. Wenn Calder ihn dann noch unterstützte, würde es vielleicht reichen, einen solchen Mann davon zu überzeugen, dass seine Tochter einen Bastard heiraten durfte.
Wenn schließlich die Zeit für ihre alljährliche Rückkehr nach Brookhaven gekommen war, würde er sie mit allem angemessenen Pomp heiraten. Er würde sie einwickeln und in die Tasche stecken, damit sie sein Talisman wäre und ihm
gegen die erdrückende Gewissheit half, für immer im Schatten des perfekten Sprosses zu stehen, im Schatten des Marquis von Brookhaven, Calder Marbrook.
Er lächelte seine entzückende Miss Phoebe Millbury an. Sie lächelte zurück, schüchtern zunächst, doch dann mit wachsendem Vertrauen. Oh ja.
Sie war die Richtige.
Drittes Kapitel
E s war leicht für Phoebe, ihren Weg unbemerkt zu genau jenem Punkt zu finden, wo sie Marbrook zum ersten Mal gesehen hatte. Sie kam dort an, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Warum sollte sie auch? Schließlich war sie nur eines von vielen unscheinbaren Mädchen in einem weißen Musselinkleid mit dazu passender sehnsüchtiger Miene. Wenn sie Glück hatte, würde ihr eigener Gesichtsausdruck als schüchtern und überhitzt angesehen, nicht als erregt und nervös.
Was hatte sie da gerade getan?
Sie wurde noch röter, als sie an sein beredtes Schweigen dachte, nachdem sie den Vikar erwähnt hatte, und an die Art und Weise, wie er sie respektvoll in den Ballsaal zurückgeführt hatte, die sich so sehr von seiner vorherigen neckenden Art unterschied.
»Da bist du ja!«
Tessa. Phoebe holte tief Luft, um sich zu wappnen, und drehte sich um, um ihrer Anstandsdame mit einer unschuldigen Miene begegnen zu können. »Ja, Lady Tessa?«
Lady Tessa war die Nichte des derzeitigen Herzogs von Edencourt. In ihrer Jugend war sie eine ausgesprochene Schönheit gewesen – was, wenn man darüber nachdachte, noch gar nicht so lange her war, denn Tessa war erst einunddreißig. Aber ihr umwerfendes Aussehen hatte nicht gereicht, um ihren berüchtigt hinterhältigen Charakter auszugleichen.
Elegant und perfekt und ein rechtes Ekel, wann immer ihr danach war. Phoebe vermutete, dass Tessa so lange allein
durch ihr gutes Aussehen vorangekommen war, dass ihr der Gedanke, mit Freundlichkeit und einem guten Charakter durchs Leben zu gehen, absolut fremd war.
Tessa legte Wert darauf, niemals die Stirn zu runzeln oder die Lippen zu schürzen. Wenn es nach ihr ginge, würden sich ihre Gesichtsmuskeln nie bewegen. Wie sie behauptete, konservierte dieses Verhalten ihre Schönheit, aber zugleich verlieh es ihr etwas Unheimliches, als wäre sie von Medusa in Stein verwandelt worden. Reizend, aber so kalt wie Alabaster.
Irgendwann hatte sie dann nicht allzu gut geheiratet und das Geld ihres
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