Brennende Sehnsucht
Gesicht. »Wie Toast und Marmelade?«
»Wie Rührei und Schinken.«
»Wie Kartoffelbrei und Bratwurst.«
»Genau«, sagte sie zufrieden.
»Wie Pferd und Karren.«
Sie drehte den Kopf und schaute ihm in die Augen. »Wer ist der Karren?«
»Was?«
»Bin ich der Karren? Ich glaube, ich wäre lieber das Pferd... aber das Pferd bestimmt auch nicht wirklich den Weg, oder? Andererseits hat der Karren ja gar nichts zu sagen...«
Er zog die Augenbrauen zusammen und blickte sie hilflos an. »Du führst wieder eines dieser Zwiegespräche, bei denen ich keine Rolle spiele, stimmt’s?«
Sie schaute an die Decke. »Ich glaube, ich ziehe Prinz und Prinzessin vor, wie in Sophies Geschichte.«
Sie erzählte ihm von der Prinzessin, die zu einem hunderjährigen Schlaf verdammt war.
Er spielte mit ihrem Haar und hörte zu, aber dann runzelte er die Stirn. »Was soll das bedeuten? Es ergibt doch überhaupt keinen Sinn.«
»Sie lebt, aber es ist, als wäre sie tot oder als würde sie schlafen. Mir kommt es so vor, als wäre sie angegriffen worden, und sie... sie hat sich zurückgezogen. Sie hat ihr tiefstes Inneres unterdrückt, hat es schlafen geschickt. Und so verharrt sie für sehr, sehr lange Zeit.«
Er küsste sanft ihre Schläfe. »Das ist eine traurige Geschichte. Was passiert dann?«
»Das weiß ich nicht. Aber ich hoffe, dass sie bald erwacht.« Sie gähnte. »Ich bin so müde. Ich glaube nicht, dass ich...«
»Sch...« Er zog die Decke hoch und zog sie an seinen warmen Körper. »Schlaf jetzt. Du hattest einen anstrengenden
Tag. Hast Wegelagerern den Schädel eingeschlagen, deine verlorene Unschuld wiedergefunden...«
Sie schmiegte sich in seine Armbeuge, als hätte sie nie anders geschlafen. »Nur einem Wegelagerer«, murmelte sie noch einmal gähnend. »Ich bin mir sicher, du hättest sie beide erledigt.«
Zweiundvierzigstes Kapitel
D er Morgen erwachte über dem schäbigen kleinen Hof des Gasthauses. Rafe beobachtete es vom Fenster ihres Zimmers, doch er nahm die wolkenverhangene Sonne kaum wahr, als sie über das Stalldach lugte, oder wie der noch im Nebel liegende Hof sich langsam belebte.
Er stützte sich mit einer Hand weit oben am Fensterrahmen ab, er trug nichts als seine Hose und um den Hals ein Handtuch. Phoebe schlief im Bett hinter ihm, erschöpft und ausgelaugt von der Leidenschaft der Nacht und vielleicht auch von den Anstrengungen der letzten Woche.
Schon vor Stunden war er schlaflos von diesem Bett aufgestanden, denn die Gefühle, die durch seinen Körper tobten, wollten nicht zur Ruhe kommen. Schuld, zum Beispiel. Bedauern. Freude. Ein Loch in seinem Herzen war geheilt, doch ein anderes war aufgerissen worden. Die Zukunft... er konnte kaum ertragen, seinen Gedanken zu erlauben, sich damit zu befassen.
Doch da das Fieber seiner Leidenschaft jetzt abgeklungen war – ein wenig jedenfalls, dachte er mit einem reuigen Lächeln -, war es höchste Zeit, sich der kalten Wahrheit dessen zu stellen, was seine Taten bewirkt hatten.
Er drückte sich vom Fenster ab. Mit einem Mal schien ihm die idyllische Szenerie kaum erträglich. Er durchquerte das Zimmer zu dem groben Waschtisch und legte das Handtuch dort neben den Krug und die Schüssel.
Er hatte geglaubt, es wäre vorbei, wenn er sie gewonnen hätte, aber er hatte sich getäuscht.
Es hatte gerade erst angefangen.
Er schloss die Augen vor dem Selbsthass, der in ihm aufstieg. Er hatte eine Grenze überschritten, von der er selbst in seinen schlimmsten Zeiten geglaubt hatte, dass er sie nie überschreiten würde. Irgendwo tief in seinem Innern hatte er sich an die Hoffnung geklammert, dass er ein Ehrenmann war oder zumindest eines Tages einer sein könnte.
Er schaute in den kleinen, vom Alter halb blinden Spiegel, beachtete die ausgehöhlten Augen und die sich violett verfärbenden Blutergüsse nicht, die sein markantes Gesicht entstellten. Er sah dort nichts als einen Mann, der seinen einzigen Bruder hintergangen hatte.
Er fing an, sich geistesabwesend anzukleiden, zog sich sein Hemd über, das nur ein klein wenig nach ihrer Seife roch, fand seine Stiefel in der gegenüberliegenden Ecke. Er gab sich Mühe, nicht die Frau im Bett anzuschauen – seine Frau -, denn er fürchtete, dass sie, wenn sie seine wahren Gefühle des Verlustes und der Verzweiflung kannte, sich selbst die Schuld dafür geben würde.
Die einzige Hoffnung, wenigstens einen Teil seiner Ehre wiederherzustellen, lag darin, sich seinem Bruder zu stellen, von Angesicht zu
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