Brennende Sehnsucht
Angesicht. Er wollte es nicht. Lieber wäre er mit Phoebe bei Nacht und Nebel davongerannt, hätte sich in der Fremde versteckt und sein Leben gelebt, ohne sich dem zu stellen, was er dem einzigen Menschen, dem jemals etwas daran gelegen hatte, dass es ihn gab, angetan hatte.
Er hoffte sehr, dass Calder ihn verprügeln würde, denn er sollte wirklich für das, was er getan hatte, bezahlen müssen.
Die zweitälteste Sünde der Welt. Bruder gegen Bruder – der verwerflichste Kampf, einer, bei dem es keinen Gewinner gab. Wahrscheinlich würde Calder ihm niemals verzeihen.
»Nein«, sagte er laut. »Aber das wussten wir ja alle vorher.«
»Mit wem sprichst du?«, erklang Phoebes verschlafene Stimme vom Bett. Er drehte sich um.
Sie beobachtete ihn, wie er mit seinem Halstuch kämpfte. Ihre Augen waren weit aufgerissen und dunkel, und die Ringe darunter verrieten, dass auch sie nur wenige Stunden geschlafen hatte, während die Röte ihrer Wangen den Grund dafür offenbarten.
Sie hatte nie schöner ausgesehen als in diesem Augenblick, verschlafen, zerzaust und in die Laken gewickelt, während ihre leicht gerundeten Formen in unschuldiger Sinnlichkeit sich ihm darboten. Sein Herz schlug gefährlich, als er sie betrachtete.
Er lächelte ihr im Spiegel zu, während er sein Halstuch bezwang. »Ich muss lernen, wie man das selbst macht«, erklärte er kokett. »Ich glaube nicht, dass Calder noch für meinen Unterhalt aufkommen wird, wenn ich heute mit ihm gesprochen habe.«
Sorge huschte über ihr Gesicht. »Glaubst du, er ist sehr verletzt?«
»Weil er dich verloren hat?« Mich würde es umbringen. Rafe senkte den Blick, um das Aufflammen der Schuld in seinen eigenen Augen zu verbergen. »Ich glaube nicht, dass es für ihn sehr viel mehr ist als verletzter Stolz.« Er drehte sich zu ihr um und streckte die Arme weit aus. »Bitte. Wie habe ich das gemacht?«
Sie lächelte. »Ich glaube, ich sollte mich besser darum kümmern.« Sie erhob sich auf die Knie, wobei sie sich anständig mit dem Laken bedeckt hielt. Glücklicherweise brauchte sie beide Hände, um sein Halstuch zu richten, sodass er sie wieder nackt und keuchend in den Armen hielt, als sie damit fertig war. Sie stemmte sich mit beiden Händen gegen seine Weste und schob ihn von sich.
Die Kälte, die er plötzlich verspürte, erweckte in ihm
eine Vorahnung. Er ergriff ihre Hand und zog sie wieder an sich.
»Lass uns dieses Zimmer niemals verlassen«, bettelte er. »Zur Hölle mit der Welt. Wir lassen uns das Essen auf einem Tablett an die Tür bringen und gehen nie mehr aus dem Bett.«
Sie legte den Kopf in den Nacken und betrachtete ihn mitfühlend. »Wir können uns nicht vor dem verstecken, was wir getan haben, Liebster. Ich würde mit dir gehen, aber ich glaube, das würde alles nur noch schlimmer machen.« Sie gab ihm einen letzten Kuss und machte ihre Hand los. »Wenn du gehen musst, dann solltest du es bald tun, bevor dieses Halstuch wieder über dem Lampenschirm landet.«
Sie lachte wieder. So hatte er sie zurücklassen wollen. Er war schon fast aus der Tür, als sie ihn ein letztes Mal aufhielt.
»Rafe...«
Er drehte sich um. Sie hatte sich das Laken wieder umgewickelt, aber ihr Blick war verletzlich. »Kommst du gleich wieder zurück?«
Er schritt zum Bett, wo sie kerzengerade kniete, auf merkwürdige Art würdevoll trotz ihres zerzausten und mehrfach geschändeten Zustandes. Er nahm ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie lang und leidenschaftlich. Sie schmiegte sich an ihn, wie sie es immer tat, von ganzem Herzen.
Ich liebe dich. Ich werde dich heiraten und mit dir bis ans Ende unserer Tage im Exil leben.
Nein. Wenn er zurückkam und seine Ehre so rein wie möglich gewaschen war, dann würde er ihr seinen Ring bringen und ihn ihr reichen, wie sie es verdiente.
Er zwang sich, sich von ihr zu lösen.
»Wenn ich gehen will, dann muss ich es jetzt tun.«
Ihr gelang ein halbes Lächeln. »Natürlich. Der arme Calder.
Ich werde bis zu deiner Rückkehr heute Nachmittag überleben.«
Phoebe blieb, wo sie war, während sie zusah, wie Rafe das Zimmer verließ. Dann versuchte sie, seine Wärme wieder einzufangen, indem sie unter die Laken zurückkroch. Das Zimmer sah bei Tageslicht erstaunlich schäbig aus und erinnerte sie daran, wie sie das letzte Mal eine Nacht in einem Gasthaus verbracht hatte.
Er hat dich verlassen.
Sie lächelte sanft, während sie sich selbst schalt. Was für ein lächerlicher Gedanke.
Jetzt war sie richtig wach
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