Brennende Sehnsucht
und schlüpfte aus dem Bett. Sie schlang das Laken um sich, um die Kälte abzuwehren. Draußen war es noch neblig und grau, aber es würde ein warmer Tag werden.
Rafe ritt davon.
Sie drückte die Nase an das Fensterglas. War das Rafe? Es könnte irgendein Mann sein – irgendein Mann, der groß und dunkelhaarig war, einen vornehmen blauen Rock trug und ein geliehenes schwarzes Pferd mit vier weißen Fesseln ritt.
Er hat dich verlassen, genau wie Terrence.
Sie drückte den Rücken durch und wandte sich vom Fenster und dem Blick auf die Straße, die seit einigen Minuten leer war, ab. Rafe würde zurückkommen. Ein Mann wie Rafe würde niemals eine Dame in einem Gasthaus sitzen lassen!
Du bist keine Dame. Eine Dame würde niemals mit dem Bruder ihres Verlobten schlafen.
Calder war nicht mehr ihr Verlobter. Sie hatte ihre Verlobung gelöst, bevor sie Rafe erlaubt hatte, sie...
Es ihm erlaubt hatte? War es nicht eher so, dass du den Kerl praktisch gegen seinen Willen verführt hast? Bist du dir sicher, dass du eine Dame bist?
In ihren Gedanken ließ Phoebe die Stimme die Reitpeitsche spüren, demütigte sie und vertrieb sie aus der Stadt. Rafe würde zurückkommen. Er liebte sie. Er hatte für sie gekämpft. Er gehörte ihr und sie ihm.
Sie wartete, aber in ihrem Innern herrschte gnädige Ruhe.
Als Calder durch seine zweitliebste Porzellanmanufaktur schritt, nachdem er gerade den ersten Ziegelstein des Ersatzbrennofens gesetzt hatte, den zu errichten er beauftragt hatte, trat ein vertraut aussehender junger Mann in der Uniform Brookhavens an ihn heran.
»Mylord!«
»Hallo... äh...«
»Stevens, Mylord.«
»Ja, Stevens, was ist los? Ist in Brook House alles in Ordnung?«
Der junge Kerl sah nervös aus. Er grub in seiner Jackentasche nach einem gefalteten Papier. »Sie hat mir aufgetragen, Euch das hier auf schnellstem Weg zu bringen, was ich getan habe. Ich bin die ganze Nacht durchgeritten.«
»Sie?«
Stevens schluckte. »Miss Millbury, Mylord.«
Calder schnaubte. Es gab Wichtigeres, worum er sich kümmern musste. »Ist sie hier?«
»Nein, Mylord. Sie...«
Etwas an der Stimme des Burschen ließ Calder aufhorchen. »Wo ist sie?« Seine Stimme war tief und hart.
Stevens wurde blass. »Blue Goose Inn, an der Straße nach Bath, Mylord.«
Er trat einen Schritt zurück, als Calder das Siegel brach und zu lesen begann.
Verehrter Lord Brookhaven,
ich hätte es Euch gleich sagen sollen, bevor wir mit dieser
Verlobung ernst gemacht haben, aber ich habe einen fürch-terlichen Fehler begangen...
Calder las den Brief genau. Dann knäulte er ihn in der Faust zusammen, bis seine Fingerknöchel weiß hervortraten.
Es passierte wieder.
»Stevens!« Er schaute sich um, aber der Bursche war verschwunden.
Offenbar war es ansteckend, vor ihm davonzulaufen.
Dreiundvierzigstes Kapitel
N achdem sie sich gewaschen und angezogen hatte, stattete Phoebe dem Kutscher einen Besuch ab.
Er lag im Bett und sah in dem riesigen geborgten Nachthemd wie ein Kind aus. Sein Kopf war bandagiert und sein Gesicht voller Blutergüsse, aber er hatte nichts Schlimmeres als eine schwere Gehirnerschütterung davongetragen.
»Ihr müsst mir glauben, Miss«, versicherte er ihr besorgt. »Wir sind nicht weit gegangen, aber wir wurden in dem Moment angegriffen, als wir um die Kurve bogen und aus dem Lichtschein der Kutschenlampen heraus waren. Ich schäme mich, zugeben zu müssen, dass ich gefallen bin wie ein Baum – war zu gar nichts nütze.«
Phoebe tätschelte seine Hand. »Ihr konntet es ja nicht ahnen. Seiner Lordschaft und mir ist nichts weiter passiert. Euch hat es am härtesten getroffen, fürchte ich.«
»Oh, macht Euch keine Sorgen, Miss. Ich werde Euch und Seine Lordschaft bald zurückfahren können.« Er versuchte sich aufzurichten, aber ihm wurde schwarz vor Augen, und er sank aufs Kissen zurück. »Vielleicht lass ich auch Stevens fahren«, japste er.
Phoebe kühlte seine Stirn und saß an seinem Bett, bis seine Kopfschmerzen nachließen und er wieder einschlief.
Nach der Uhr im Schankraum des Wirtshauses hatte dies nur einige Stunden des Vormittags in Anspruch genommen. Sie verbrachte eine weitere damit, den gröbsten Dreck von ihrem Kleid und ihren Unterröcken zu bürsten. Dann bestellte sie ein heißes Vollbad, denn es würde ihr sicherlich
guttun, der Anspannung des Wartens ein wenig Entspannung entgegenzusetzen.
Nach kaum einer Viertelstunde war sie wieder aus der Wanne draußen, da es ihr unmöglich
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