Brennende Sehnsucht
war, still zu sitzen. Sie ließ ihr Haar am Kamin trocknen und flocht es. Dann bürstete sie es wieder aus und schlang es an ihrem Hinterkopf zu einem Knoten zusammen. Dann löste sie auch den wieder und versuchte es mit einer anspruchsvollen Flechtfrisur. Damit verbrachte sie kaum mehr als eine halbe Stunde.
Es bestand kein Anlass zur Sorge. Rafe würde Stunden brauchen, um hin und wieder zurückzureiten, wenn auch nicht so lange, wie es mit der Kutsche gedauert hatte.
Außerdem würde Calder Rafe nicht wirklich etwas antun – zumindest nichts, was nicht wieder heilen würde. Sie würden sich eine Zeitlang streiten. Sie konnte sich absolut vorstellen, dass sie sich auch prügelten. Es könnte zu einer Schlägerei kommen...
Eine Stunde später kribbelte ihr ganzer Körper von Ungeduld. Sie konnte nichts tun, als vom Bett zum Fenster und wieder zurück zu marschieren. Rafe hatte gesagt, er würde sich beeilen.
Terrence hatte sich nicht einmal von ihr verabschiedet. Sie hatte aus dem Fenster geschaut und ihn auf seinem Mietsgaul davonpreschen sehen, ohne Sattel oder gar Mantel!
Was für ihre derzeitige Situation keinerlei Bedeutung hatte. So etwas Dummes, dass ihr das gerade jetzt einfallen musste! Sie lachte das üble Zittern ihres Magens fort, das sie immer überkam, wenn sie daran dachte, wie sie von Terrence verlassen worden war. Er hatte ihr einen großen Dienst erwiesen, dass er vom Ort ihrer Verführung geflohen war. Hätte er es nicht getan, dann wäre sie jetzt Mrs LaPomme und
würde versuchen, unter den Stiefeln ihres faulen Gatten den Boden zu wischen!
Sie lachte noch einmal, als sie an Rafes verzögerten Aufbruch dachte und an den sehnsuchtsvollen Blick, den er über die Schulter geworfen hatte, ehe er um die Straßenbiegung verschwunden war. Es war der krasse Gegensatz zu Terrences Flucht.
Doch leider zog der Tag sich so lange hin, dass es ihr immer schwerer fiel, sich daran zu erinnern. Die Mittagszeit kam und ging. Der Nachmittag verlängerte sich ungehindert in einen endlosen Abend. Ihr Mut sank jedes Mal, wenn sie Stiefelschritte auf dem Flur hörte, er aber nicht kam. Sie versuchte, sich aufzumuntern, aber mit der Zeit verloren die Worte, die sie immer wieder sprach, ihre Bedeutung und waren nur noch Laute.
Das Zimmermädchen des Wirtshauses kam mit Kohlen für den Kamin, aber dessen Glut half nicht, die wachsende Kälte in Phoebes Innern zu vertreiben.
Wo war er? Da sie nie Zeuge geworden war, dass eine Unterhaltung mit Calder länger als drei Minuten dauerte und alles in allem mehr als fünfzig Wörter beinhaltete, bezweifelte sie stark, dass er und Rafe den Tag damit verbracht hatten, sich auszusprechen.
Es sei denn, sie hätten dabei getrunken.
Hoffnung keimte bei diesem Gedanken in ihr auf. Alkohol brachte Männer dazu, zu vergessen, wo sie eigentlich sein sollten.
Bis sie sich daran erinnerte, dass Calder niemals trank, keinen einzigen Tropfen, nicht einmal Bier.
Als der Abend ging und die Nacht kam, fing sie an, die kalte Präsenz echter Sorge zu spüren. Sich zu verspäten mochte unverzeihlich sein, aber gar nicht zu kommen? Etwas Schreckliches musste ihm zugestoßen sein!
Sollte sie die Mannschaft des Wirtshauses dazu veranlassen, nach ihm zu suchen? Rafe könnte verletzt sein, sein Pferd könnte ihn abgeworfen haben – irgendwo auf dem Weg nach Brook House! Sie rang die Hände, während sie auf und ab schritt, und fing an, Fingernägel zu kauen.
Dann hörte sie sie, diese vertrauten raschen Schritte – diesen forschen Klang feiner Stiefel auf dem abgetretenen Holz des Flures.
Erst als sie zur Tür eilte, um diese aufzureißen, erinnerte sie sich daran, warum ihr dieser Schritt so vertraut war.
Es war nicht Rafe, der da stand und sie von oben herab finster anstarrte.
Es war Calder, der nicht so aussah, als hätte er den Tag damit verbracht, mit seinem betrügerischen Bruder zu irgendeiner Form der Aussöhnung zu kommen.
»Wo steckt er?«, knurrte er. »Wo steckt dieser hinterhältige Bastard, der meine Braut entführt hat?«
Vierundvierzigstes Kapitel
P hoebe wich bestürzt zurück, als Calder sich an ihr vorbei ins Zimmer drängte.
Er drehte sich um und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. »Ich reiß ihn in Stücke!«, knurrte er.
»Mylord... Ihr dürft ihm nicht allein die Schuld geben...« Phoebe hielt inne und schluckte schwer, sie erinnerte sich zu spät an die Zeitungsartikel, die Mr Stickley ihr gezeigt hatte, an das Gerücht, dass Calder seine Frau
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