Brennende Sehnsucht
und ihren Liebhaber in einem Eifersuchtsanfall umgebracht hätte.
Sie hätte sich wahrscheinlich daran erinnern sollen, bevor sie Rafe gehen ließ...
»Wartet!«« Eis bildete sich in ihrem Innern. »Rafe hat Euch nicht gefunden?«
Calder starrte sie an, sein Zorn war keineswegs verraucht. »Ich wurde nicht vermisst!«
Sie schüttelte den Kopf, schob seine Wut beiseite. »Hört mich an. Rafe ist heute früh aufgebrochen, um mit Euch zu sprechen. Er hielt es für das Richtige...«
»Ich war nicht schwer zu finden. Euer Brief ist ohne Schwierigkeiten bei mir eingetroffen. Außerdem schert sich mein Bruder nicht darum, das Richtige zu tun – was Euch aufgefallen sein sollte. Sein ganzes Leben lang hat er versucht zu bekommen, was von Rechts wegen mir gehört.«
»Ach, haltet den Mund!« Phoebe schnaubte frustiert. »Calder, vergesst das alles, und hört mir zu!«
Er starrte sie überrascht an, dann hüstelte er. »Niemand sagt zu mir, ich solle den Mund halten. Niemals.«
Phoebe machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ja, ja, ich weiß. Jeder zittert in seinen Stiefeln, wenn Ihr vorüberschreitet, blablabla.«
Er schaute sie finster an und öffnete den Mund. Sie klatschte laut in die Hände. »Und jetzt hört mir zu! Rafe ist etwas Schreckliches zugestoßen!«
»Gut.«
Sie kniff die Augen zusammen. »Das meint Ihr nicht im Ernst.«
»Ich...« Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar, und diese Geste erinnerte sie so sehr an Rafe, dass ihr das Herz wehtat. »Ich weiß nicht, was mein Ernst ist. Ich weiß es nie, wenn es um Rafe geht. Mein Bruder ist der Einzige, der mich derart durcheinanderbringt.«
Sie atmete vernehmlich aus. »Glaubt mir, wenn ich Euch sage, dass es ihm genauso geht.«
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Rafe weiß immer genau, was er tut – normalerweise nämlich das, was mich am meisten ärgern würde.«
»Und würde es Euch ärgern, wenn er mich hier allein zurückgelassen und sich selbst aber nicht auf den Weg zu Euch gemacht hätte?«
Calder zögerte. »Nein. Viel eher würde er in der Nähe bleiben, um zuzusehen, wie alles in die Luft fliegt.«
Sie breitete die Arme aus. »Genau! Ich meine, es passt nicht zu ihm, einfach zu verschwinden. Es ist fast, als hätte ihn jemand...« Sie verstummte. »Oh nein. Die Wegelagerer!«
Calder starrte sie an. »Ich höre zu, aber ich verstehe gar nichts.«
Phoebe ging unruhig auf und ab. »Letzte Nacht sind wir
auf der Straße überfallen worden. Es waren zwei – einer hatte eine Waffe. Sie haben die Diener niedergeschlagen und sind dann über Rafe hergefallen. Ich habe sie mit einem Ast vertrieben, als sie versucht haben, ihn wegzuschleifen.«
Er hob eine Hand, um ihren Redefluss zu unterbrechen. »Ihr habt zwei bewaffnete Wegelagerer mit einem Ast in die Flucht geschlagen?« Er runzelte die Stirn. »Ihr seid nicht die, für die ich Euch gehalten habe, kann das sein?«
Sie zögerte, dann zuckte sie die Achseln. »Nicht einmal ein kleines bisschen. Es tut mir leid.«
Er blinzelte. »Mir nicht... was merkwürdig ist.«
»Reizend. Gut. Zurück zu Rafe, ja?«
Er seufzte. »Wie es scheint, machen wir das immer.«
Sie trat ans Fenster, auch wenn es draußen nichts als finstere Nacht zu sehen gab. »Er ist sehr früh aufgebrochen, kurz nach Sonnenaufgang. Wenn wir seine Schritte nachverfolgen und jeden befragen, der ihn gesehen haben könnte, könnten wir ihn vielleicht finden.«
»Nicht ›wir‹. Und gewiss nicht Ihr.« Er verschränkte die Arme. »Ich werde Detektive von der Bow Street anheuern. Sie werden ihn finden, wenn er denn gefunden werden will. Ihr werdet mit mir nach London zurückkommen.«
Sie verwarf seinen Vorschlag. »Nein. Ich will selbst nach ihm suchen.«
»Phoebe.«
Vielleicht war es die unerwartete Sanftheit in seiner Stimme, die sie sich umdrehen und überrascht das Mitgefühl in Calders Augen wahrnehmen ließ.
Sie bekämpfte eine Welle der Angst und Sorge. »Er hat mich nicht verlassen, Calder. Er würde mich niemals verlassen.«
Seine Lippen wurden schmal. »Dann wird er wissen, dass er Euch in Brook House findet, oder? Wir hinterlassen ihm
eine Nachricht, falls er zum Wirtshaus zurückkehrt.« Er bückte sich, um ihr Schultertuch aufzuheben. »Ihr könnt nicht hierbleiben, Phoebe, und Ihr könnt nicht übers Land ziehen, um ihn zu suchen.«
Sie drückte die Finger auf den Mund und dachte fieberhaft nach. Sie wollte dieses schäbige Zimmer nicht verlassen, war es doch der einzige Ort auf dieser Welt, wo sie kein
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