Brennende Sehnsucht
unter einen rasenden Wagen geraten und in letzter Sekunde unter den Rädern herausgezogen worden zu sein.
Wie glücklich sie sich doch schätzen konnte. Fast hätte sie sich an den falschen Mann gehängt. Wieder einmal.
Das Gefühl alter Scham überkam sie. Keine Scham über ihren Ruin, sondern das bedrückende Gefühl, dass irgendetwas mit ihr nicht stimmen musste, dass sie so leichtgläubig war.
»Ich versichere Euch, dass Ihr Euch keine Sorgen machen müsst«, sagte Brookhaven mit merkwürdig tonloser Stimme. »Die jungen Damen sind in Brook House absolut sicher.«
Sicher vor Marbrook. Als wäre er ein wilder Hund, der die Unvorsichtigen biss.
Brookhaven erhob sich. »Ich werde meine Dienerschaft sofort herüberschicken, um die Sache in die Hand zu nehmen.« Er wandte sich an Phoebe. »Ich habe Lementeur wissen lassen, dass Ihr sofort ein neues Kleid braucht. Ich wünsche, die Angelegenheit bereits heute Abend mit einem Souper in Brook House offiziell zu machen. Mein Bruder und ich...« Sein Blick heftete sich auf den Vikar. »Wir werden ein paar Freunde einladen, damit Ihr sie kennenlernt.«
»Heute Abend?« Phoebe sprach, ohne nachzudenken. »Wer wird denn so kurzfristig kommen können?«
Brookhaven sah sie erstaunt an. »Sie werden kommen, wenn ich sie einlade.«
Phoebe wich zurück. »Oh, ja. Natürlich.« Sie musste sich immer wieder vor Augen halten, mit wem sie sprach. Ein Marquis musste sich keine Gedanken darüber machen, ob seine Gäste an jenem Abend etwas anderes vorgehabt hätten.
Oder ob sie andere Pläne für ihr Leben gehabt hätte.
Rafe wartete auf Calder in dessen Kutsche, die vor dem Haus wartete, in dem Miss Millbury mit ihrer Tante und ihren Cousinen wohnte. Natürlich war er gekommen, um mit Calder zu sprechen, nicht um einen Blick auf Phoebe zu erhaschen.
Dabei kam er sich wie ein Idiot vor, da er die Augen nicht vom Eingang des Hauses wenden konnte.
Er war zu einer Entscheidung gekommen. Er hatte beschlossen wegzugehen... irgendwohin, nur möglichst weit von der neuen Lady Brookhaven entfernt. Amerika wäre eine Möglichkeit, oder Afrika. Er hatte nicht genügend Bargeld für die Schiffspassage, aber er besaß einige Wertsachen, die ihm von Sekunde zu Sekunde weniger wert waren.
Jedenfalls wäre er nach der Hochzeit weg, noch bevor Mylady einzog. Das war wichtig. Er wollte nicht über den Grund dafür nachdenken.
Als Calder herauskam, hatte Rafe bereits tausend Wege ersonnen und wieder verworfen, wie er seine Abreise zur Sprache bringen konnte. Alle ließen ihn äußerst kapriziös aussehen. Er war jedoch derart verzweifelt, dass es ihm immer weniger ausmachte.
Calder bestieg die Kutsche und ließ sich seine Überraschung, Rafe darin vorzufinden, kaum anmerken. »Ich dachte, du würdest dich wie üblich rarmachen, damit ich dich nicht bitten kann, mich irgendwohin zu begleiten.«
Rafe schaute seinen Bruder an. In seinem Herzen bekämpften
sich die Zuneigung und der Hass eines ganzen Lebens. »Du siehst anders als sonst aus.«
Calder lächelte leicht. »Mir ist letzte Nacht aufgefallen, dass Miss Millbury eine Vorliebe für Grün zu haben scheint. Deshalb habe ich heute Morgen diese Weste ausgewählt. Meinst du, sie hat es bemerkt?«
Rafe beobachtete überrascht und ein wenig ehrfürchtig, wie sein Bruder unsicher an seiner Weste zupfte. »Das interessiert dich wirklich?«
Das leichte Verziehen der Mundwinkel, das bei Calder bereits als Lächeln galt, hörte nicht auf. »Sie ist ein nettes Mädchen. Ich dachte, ich sollte im Gegenzug auch ein bisschen nett sein.«
Die Tatsache, dass sein Bruder tatsächlich glücklich über seine Verlobung war – und nicht nur zufrieden, als habe er ein Geschäft abgeschlossen -, schickte Pfeile des Zorns durch Rafe.
Aber sie gehört mir!
Calder richtete sein Halstuch. »Ich habe eingerichtet, dass sie heute einen Termin bei Lementeur bekommt. Ich halte das für eine gute Idee, du nicht auch? Wenn ich sie jetzt ein bisschen verwöhne, wird sie sich stärker zu mir hingezogen fühlen, meinst du nicht auch?«
Rafe musste husten. »Das... das fragst du mich?«
Calder drehte sich um und schaute ihn irritiert an. »Habe ich das nicht gerade getan? Was hast du für ein Problem? Ich dachte, du wärst mit Miss Millbury einverstanden.«
Dem Himmel sei Dank, dass er sie vor der Hochzeit nicht mehr sehen musste... und dann wäre es zu spät. Er fand endlich seine Stimme wieder. »Ja. Ja zu dem Termin bei Lementeur. Ja zu meinem
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