Brennende Sehnsucht
so jungen Jahren sein großes Erbe angetreten hatte. Er wusste, dass gelangweilte Charaktere sich ihre eigene Unterhaltung schufen.
Dann wurde aus dem Gerede Klatsch, und der Klatsch explodierte in einem Skandal. Calder konnte nichts weiter tun, als das Mädchen zu heiraten, das er während der ganzen Saison so wenig beachtet hatte. Wenn er selbst die Verlobung gelöst hätte, hätte das einen Makel auf seiner weißen Weste hinterlassen, und die junge Frau wäre für immer ruiniert gewesen – und keines von beidem wäre etwas gewesen, über dessen Eintrag ins Familienbuch Calder stolz gewesen wäre. Melindas gedemütigte Eltern hatten ihm versichert, dass Melinda sich rasch in ihre Rolle als Ehefrau finden würde, wenn die Hochzeit erst einmal vonstattengegangen wäre. Es blieb ihm nichts anderes, als die Sache durchzuziehen und das Beste zu hoffen.
Aber das Beste traf nicht ein. Melinda war wütend darüber, dass ihr Verhalten überhaupt keinen Unterschied machte, und war zudem bis über beide Ohren in einen Mann verliebt,
den sie während ihrer Abenteuer kennengelernt hatte. Ständig tauchte sie in den Klatschspalten auf. Nach einer Weile schien sich die Situation jedoch zu beruhigen, das Paar schien sogar auf gewisse Art miteinander glücklich zu sein. Rafe wusste nicht genau, wie es dazu gekommen war, denn er und Calder waren damals nicht gut aufeinander zu sprechen gewesen. Doch zwei Jahre nach der Hochzeit kam es zu Melindas nächstem und tragischerweise letztem Akt der Rebellion.
Es war der Stoff, aus dem große Theaterstücke gemacht sind: die fliehende Ehefrau, der hämische Nebenbuhler, der gehörnte Ehemann und eine dramatische Flucht über Land per Kutsche, die in einem Unfall mit zwei Toten ihr Ende fand. Es war alles so übertrieben und entsprach dem Klischee, dass Calder, der immer sehr zurückgezogen gelebt hatte, sich plötzlich inmitten des größten vorstellbaren Skandals wiederfand.
Rafe hatte jene Nacht in den leidenschaftlichen Armen einer verheirateten Mutter von sechs Kindern verbracht, deren Haarfarbe und Aussehen skandalös wenige Übereinstimmungen aufwiesen, doch dankenswerterweise fanden sich seine eigenen braunen Augen und schwarzen Haare nicht darunter. Er erfuhr von Calders tragischem Schicksalsschlag auf dieselbe Art wie der Rest des Landes.
Die Zeitungen kannten kein Erbarmen. Jedes Fitzelchen von vergangenem Klatsch und Tratsch aus Melindas empörender Saison in London wurde wieder aufgewärmt, und jede ihrer Schwächen wurde mit viel Fantasie ausgeschmückt. Calder fand sich in der erbärmlichen Situation, dass eine ganze Nation ihn uneingeschränkt bemitleidete und sich zugleich über ihn lustig machte. Für einen stolzen Mann wie ihn war es unerträglich.
Rafe löste seine Wohnung auf, packte seine Sachen zusammen
und kehrte heim, und Calder öffnete ihm die Tore von Brook House. Keiner von beiden sprach je über die Tragödie, aber Rafe sagte sich, dass Calder es begrüßte, dass er ihm beistand. Es war eine graue, stille Zeit.
Calders entschlossenes und würdevolles Schweigen und zweifellos sein enormer Reichtum sorgten dafür, dass der Sturm des Skandals schließlich abflaute. Rafe blieb weiterhin in Brook House und tat sein Bestes, seinerseits kein Öl ins Feuer der Gerüchte zu gießen. Nach und nach gab er seine selbstgefälligen Vergnügungen auf, wenn auch weder Calder noch der Rest der Gesellschaft davon Notiz zu nehmen schienen. Vielleicht war es Rafes Form der Buße. Er war nicht schuld an Melindas Wildheit gewesen, aber er hatte eine gewisse bittere Genugtuung verspürt, als Calder sich in seinem eigenen Netz aus Scheinheiligkeit gefangen hatte.
Aber er hätte niemandem einen derart brennenden Wahnsinn an den Hals gewünscht, und es bereitete ihm Sorge, Calder dabei zusehen zu müssen, wie der sich immer tiefer in sein Schneckenhaus zurückzog.
Calder legte nach dem Trauerjahr seine schwarze Kleidung nicht ab, und sein neues drohendes Gebaren trug nicht dazu bei, jenen den Mund zu stopfen, die ihn immer noch ins Zentrum romantisierenden Mitleids stellten.
Calders Gedanken mussten einen ähnlichen Weg gegangen sein, denn er runzelte die Stirn. »Ich habe nicht vor, denselben Fehler zweimal zu begehen. Deshalb wird die Hochzeit binnen weniger Wochen stattfinden. Wenn wir nicht das Aufgebot bestellen müssten, dann würde ich es bereits morgen hinter mich bringen.«
Rafe schwieg einen Augenblick. »Ist das wirklich dein Ernst? Du willst Ph- Miss Millbury ein
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