Brennende Sehnsucht
stand rasch auf und zog es aus, riss in ihrer Eile sogar einige Knöpfe ab. Sie erwog, es zu verbrennen, aber wie würde sie an ein anderes kommen? Als Kompromiss warf sie es in eine Ecke und stolperte nur in ihrem Unterkleid zur Waschschüssel und dem Krug auf einem Tisch auf der anderen Seite des Zimmers.
Sie wusch sich das Brennen aus den Augen und gab ihr Bestes, die Male des Erlebten von ihrer Haut zu schrubben, aber ohne Seife wollte Rafes Blut sich nicht abwaschen lassen. Sie nahm das weichste Handtuch, um seine arme Beule zu säubern und sein hübsches Gesicht vom Schmutz der Straße zu befreien. Sie hatten ihn übel zugerichtet, ihren armen, tapferen Schatz.
Sie wusste, dass er wahrscheinlich für die Sicherheit einer jeden Dame so heftig gekämpft hätte, aber die Tatsache, dass er es für sie getan hatte und derart schlimm dafür verprügelt worden war, rührte ihr Herz.
Liebe. Sie wallte warm und immerwährend in ihr auf. Sie ließ sich nicht verleugnen, nicht übersehen, sie würde niemals schwächer werden oder nachlassen.
Sie liebte ihn.
Und er liebte sie.
In diesem Augenblick erkannte sie, dass sie niemals die Missbilligung der Gesellschaft gefürchtet hatte. Es war nicht
der drohende Skandal gewesen, der sie zu einem Feigling gemacht hatte.
Es war das hier... dieser sehnsuchtsvolle Schmerz, diese Verletzlichkeit...
Diese Liebe.
Sie hatte Terrence fast geliebt, und das war schon schlimm genug gewesen. Der Schmerz hatte jahrelang angehalten und die Schmach noch länger. Selbst damals hatte sie irgendwo in ihrem tiefsten Innern gespürt, dass ein derart übermächtiger Schmerz, der ein Leben lang bestehen blieb, die Schattenseite wahrer Liebe war.
Wie dumm sie doch gewesen war. Liebe war kein Getränk, an dem man nippte und das man dann zurückwies. Liebe ließ sich nicht verhindern oder arrangieren. Liebe war ein Wegelagerer an der Straße des Lebens und wartete auf die wenigen Wagemutigen und Auserwählten.
So wie sie es getroffen hatte.
Wie einfach doch alles geworden war. In einer Welt, in der sie während der letzten zehn Jahre in Grauschattierungen gelebt hatte, gab es mit einem Mal eine deutliche Aufteilung in Schwarz und Weiß. Sie hatte gehört, dass manche Menschen unter schwierigen Umständen stärker wurden. Und sie war froh, herausgefunden zu haben, dass sie zu diesen Menschen gehörte.
In ihrem Innern war nichts mehr als ihre Liebe zu Rafe. Es gab keine Entscheidungen zu fällen, keine Strategien zu entwickeln. Sie war seine Frau. Er war ihr Mann.
An der Tür klopfte es. Der Arzt war gekommen. Nachdem sie sich in ihren Umhang gewickelt hatte, strich Phoebe Rafes feuchtes Haar aus seiner Stirn und drückte ihre Lippen auf seinen Mund. »Ich liebe dich«, flüsterte sie.
Für immer.
Achtunddreißigstes Kapitel
A m still gewordenen Zimmer des Gasthauses war der Arzt gekommen und wieder gegangen, er hatte erklärt, dass Lord Marbrook Ruhe und Pflege brauche. »Ruhe«, hatte er betont, während er Phoebe säuerlich gemustert hatte. Er war ein Gentleman, der in seinem langen Leben schon eine Menge gesehen hatte – offenbar war die Variante mit der Schwester ein wenig abgenutzt.
Jetzt saß Phoebe auf der Bettkante neben Rafe. Sie streckte sich, um eine dunkle Locke aus seiner Schläfe zu streichen. Er drehte das Gesicht in Richtung ihrer Berührung, obschon er kaum bei Bewusstsein war.
Liebe.
Wie fremd und verletztlich dieses Ding in ihr war. Es war eine junge Liebe, entflammt in heißer Leidenschaft und wärmend in ihrer Akzeptanz. Was sie für Terrence gefühlt hatte, war nichts im Vergleich zu der Art, wie sie Rafe liebte. Eine einzelne Blüte statt eines Tals voller Rosen. Sie liebte diesen draufgängerischen, unmöglichen, schönen Kerl. Sein Charme entzückte sie, und seine Attraktivität gefiel ihr, aber der verwundete, wehe, einsame Mann in seinem Innern umklammerte ihr Herz und schien vom Schicksal dazu bestimmt, es nie wieder loszulassen.
Er war nicht perfekt. Sein Leben, bevor sie einander begegnet waren, war ein Irrgarten aus kurzen, oberflächlichen Affären und einem harten, sorglosen Lebensstil. Konnte er für immer lieben? Konnte er nur sie sehen und seinen Blick nie mehr auf die Wanderschaft schicken? Sollte sie ihre Zukunft
für dieses gleichermaßen schüchterne wie wilde Herz aufs Spiel setzen?
»Ja« war so ein einfaches Wort. Warum sagte sie es nicht? Warum sagte sie nicht ja zu Liebe und Glück? Sie hatte schon einmal ja zu ihm gesagt, auch wenn er
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