Brennender Stahl (von Hassel)
Dörfler eine schieben musste. Er hatte selber keine Ahnung, warum der große Seemann ihn schützte, aber es half ihm, vor allem mit Dörfler, der immer wieder Streit suchte. Dankbar ließ er sich neben den Rohren am Kopfende von Bergers Pritsche nieder und angelte nach einem der Brote: »Heißen Dank, Rudi!«
Weiter hinten in der Offiziersmesse saßen die beiden WOs. Leutnant Schneider versuchte, im Adlerstoßverfahren das KTB auf der Schreibmaschine zu tippen, während Hentrich ein Kreuzworträtsel löste. Er löste das gleiche Kreuzworträtsel schon zum wiederholten Male und kannte es so langsam auswendig. Aber immer wieder wurden die Lösungen sorgfältig ausradiert, bevor das Rätsel erneut, ganz vorsichtig und mit Bleistift, wieder gelöst wurde. Es gab sonst nicht viel zu tun.
»Haustier mit fünf Buchstaben?«
»Katze!«, Schneider antwortete ganz automatisch.
»Danke verbindlichst, Herr Leutnant!«, Hentrich sandte dem IIWO einen bösen Blick zu. Aber Schneider grinste nur und suchte nach dem nächsten Buchstaben auf der Schreibmaschine.
»Wo ist eigentlich der Alte?«
Schneider runzelte die Stirn: »Ich glaube oben! Warum?«
»Nur so! Und der Leidende?«
»Drückt sich im Dieselraum herum. Macht nen Gesicht wie sieben Tage Regenwetter.«
Hentrich sah interessiert auf: »Gibt's Probleme?«
»Nicht dass ich wüsste. Er jammert wegen des Brennstoffverbrauchs, aber das ist normal. Deswegen ist er ja der ´Leidende` Ingenieur.«, der Leutnant grinste gefühllos.
»Er war auch schon auf dem letzten Boot vom Alten?«
Schneider verzog das Gesicht. Da war sie wieder, die Erinnerung. Als würde es keinen Weg geben, ihr zu entrinnen. Er erinnerte sich, genau wie der Kommandant und zum Beispiel Braunert, der damals ebenfalls auf Turmwache gewesen war, nur an wenige Details. Der große schwarze Bug, das kalte Wasser und vor allem die Rufe der im Wasser treibenden Männer, die immer schwächer wurden. Unwillkürlich schüttelte er sich. »Ja, genau wie einige andere von der Besatzung.«
Hentrich legte das Kreuzworträtsel beiseite und sah ihn an. »Ich will nicht bohren, Rudi. Ich hoffe, Sie verstehen mich.«
Schneider musterte seinen Vorgesetzten ruhig. »Nein, Sie wollen es nur wissen, Herr Oberleutnant. Es war ein Unfall, wir wurden im Nebel von einem Dampfer über den Haufen gekarrt, das ist alles.« Er blickte Hentrich starr an. »Es ist vorbei, besser Sie fragen nicht mehr danach.«
Erschrocken senkte Hentrich den Blick. »Ich wollte niemandem zu Nahe treten, Rudi!«
Schneider entspannte sich etwas. »Ich weiß, aber es war einfach so eine verdammte Scheiße. Lassen Sie die Geschichte ruhen, Herr Oberleutnant, lassen Sie sie einfach ruhen.«
Ziemlich achtern im Dieselmaschinenraum standen der LI, Oberleutnant Wegener und der Maschinenmaat Peters und lauschten dem Donnern der schweren Motoren. Vorsichtig drehte der Leitende an einem Ventil und lauschte wieder. Das Donnern klang genauso laut wie zuvor, aber die beiden Techniker schienen trotzdem nicht zufrieden zu sein. Wegener runzelte die Stirn und Peters zuckte mit den Schultern.
Probeweise öffnete der Obermaat ein Testventil und eine Stichflamme schoss heraus. Befriedigt drehte Peters wieder zu. Dann versanken die beiden Techniker wieder in Lauschen. Es war nur eine Kleinigkeit in dem vielstimmigen brüllenden Konzert der Maschinen. Ein leises Pfeifen, dass einem Seemann gar nicht aufgefallen wäre, unter all dem lauten Dröhnen. Doch für die Techniker sprachen die Motoren eine eigene Sprache und die Besten von ihnen konnten sie verstehen. Wegener, der Leitende, gehörte zu ihnen. Und Berger, der Maschinengefreite, der mit Motoren aller Art aufgewachsen war, weil sein Vater eine Werkstatt betrieb. Und zum Teil auch Maschinenmaat Peters, ein echtes Marineprodukt. Sie alle verstanden, was der schwere Diesel an Steuerbord ihnen mitteilen wollte und keiner von ihnen war glücklich darüber. Und noch viel weniger würde es den Kommandanten glücklich machen.
Der LI warf einen letzten Blick auf den Steuerborddiesel und machte eine Handbewegung, als wolle er jemanden erwürgen. Dann grinste er resigniert und wischte sich die Hände an einem Stück Putzwolle ab. Sehr viel sauberer wurden sie dadurch nicht. Er winkte Peters kurz zu und verschwand nach vorne. In der Zentrale trat er unter das Luk und rief nach oben: »Ein Mann auf Brücke?«
»Genehmigt!«
Er kletterte nach oben und sah sich um. Die See war nicht mehr grau sondern eher
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