Brennender Stahl (von Hassel)

immer zu Streit aufgelegte Bayer, schüttelte den Kopf: »Nah, I gloab's net. Des müßt'n unsere Horcher do scho lang gehorcht hab'm!«
    »Toll, ...«, Braunert starrte den Süddeutschen böse an, »... bist halt ein echtes Genie! Natürlich ist der Alte vorsichtig, was glaub'st denn du?« Er holte tief Luft: »Also mir ist das lieber so. Ich glaube, wenn der Alte erst zu spät merkt, es ist nicht unser Dampfer, dann wäre ich ihm eher sauer!«
    »Wieso?«, Lauer, der Moses, blickte den großen Seemann unsicher an.
    »Wieso!«, echote Dörfler. Er schüttelte den Kopf: »Na da schau sich a mal oaner uns'ren Hirnakrobaten a! Weil, wenn's a Tommy is, der uns den Oarsch wegblas'n tut, deshalb wieso!«
    Lauer schwieg für einen Augenblick. Einer der Männer der Mittelwache, die mit dem Steuermann oben gewesen waren, räusperte sich. »Dörfler, mach nicht so nen Wind. Wir sind zwanzig Meilen weg, da hat er dann was zu blasen, der Tommy!«
    »Zwanzig Meilen?« Lauer rechnete, ohne darüber nachzudenken: »Das bedeutet, wenn es ein Kreuzer ist, dann kann er in weniger als einer Stunde bei uns sein.«
    Braunert nickte: »Ja, schnell sind sie, diese Pötte!« Dann grinste er. »Nur sehen müssen sie uns erstmal.«
    »Können die uns nicht hören?«
    Der lange Braunert verkniff sich einen bittenden Blick. Es würde wohl noch eine Weile dauern, bis Lauer alles durchblickte. Nur würde sich bis dahin wahrscheinlich sowieso wieder alles geändert haben. Langsam schüttelte er den Kopf. »Nein, können die nicht. Nach achtern sind die stocktaub. Die eigenen Maschinen machen zu viel Lärm, verstehst'?«
    »Kapiert. Also kann er uns nicht hören, selbst wenn's unser Versorger ist und wir wissen nicht, ob er es ist. Nur, ...«, Lauer kratzte sich am Kopf, »..., was ist, wenn er es nicht ist?«
    Für einen Augenblick hing Schweigen im Burgraum. Dann nickte Berger, der Bepflasterte, und grinste verkrampft. »Dann wird’s heiter! Kein Sprit, kein Einsatz. Dann hinken wir wieder zurück. Bis Spanien kommen wir immer. Dort das Boot versenkt und mit der Eisenbahn nach Hause. Und in der Heimat, in der Heimat, da gibt’s ein neues Boot!«
    Braunert gluckste: »Der alte Rees nach Backbord, Junge. Glaub ihm kein Wort, wir kommen nach Hause. Der will nur nach Spanien!«
    »Lach nur weiter, aber ich mach das!«, Berger stemmte scheinbar empört die Fäuste in die Seiten, aber sein Grinsen zeigte, dass es nicht ernst war. Auch wenn er tatsächlich über seinen Traum sprach: »Nach dem Krieg gehe ich nach Spanien und mach 'ne Werkstatt auf. Es gibt ja schon einige Deutsche da unten.« Genüsslich streckte er sich: »Stellt euch das mal vor: Sonne, Sangria und Senoritas!«
    »Sonne?«, der Elektro-Willi sah ihn staunend an, »Sonne? Glaubst du, die verträgst du?«
    Jens Lauer sah sich unauffällig um. Bei all dem Gefrotzel verbargen sich doch hinter den großen Sprüchen die Unsicherheit und die Angst. Was, wenn es nicht der gesuchte Versorger war? Wenn der vielleicht schon gar nicht mehr schwamm? Ein Versorger bedeutete auch jemand, der versorgt werden sollte und das konnte sich ja auch die Tommies am Allerwertesten abfingern, oder nicht? Unsicher beobachtete er die grinsenden Gesichter. Manchmal wünschte er sich, er wäre so wie die anderen. Wie der ruhige Berger, der harte Braunert oder sogar wie Dörfler, der sich zwar immer wieder aufregte aber an nichts wirklich zu stören schien. Sie alle konnten sogar jetzt noch grinsen. Das andere Schiff, das war ein Problem für den Alten und die Offiziere, sie selbst konnten an dem ganzen Zustand sowieso nichts ändern, also warum aufregen? Aber Lauer machte sich Sorgen. Er dachte zuviel, das sagte Braunert immer zu ihm. Vielleicht hatte der ja Recht. Es kostete ihn etwas Anstrengung, das Grinsen der anderen zu erwidern, aber irgendwie schaffte er es, trotz der nagenden Unsicherheit.
     
    Auch Korvettenkapitän Helmut Stülpe war beunruhigt. Nicht, dass er Brennstoffprobleme gehabt hätte, das war mit diesem Schiff und auf Grund der besonderen Situation nahezu unmöglich. Auch seine Besatzung war so gut, wie ein Kommandant es sich nur wünschen konnte. Und, nicht zu vergessen, bisher hatten sie eine Menge Glück gehabt. Dennoch war Stülpe beunruhigt und er war es nicht ohne Grund.
    Nachdenklich blickte er von der hohen Brücke herab auf das breite Vorschiff. Die Kurland, ein Troßschiff der Dithmarschen-Klasse, mochte nicht so aufregend aussehen, wie ein Kriegsschiff, aber sie war auf ihre Weise