Brennender Stahl (von Hassel)
eine der beeindruckendsten Einheiten der Kriegsmarine. Mit über zweiundzwanzigtausend Tonnen Verdrängung war sie größer als jeder normale Frachter, viel größer! Und mit über zwanzig Knoten Spitzengeschwindigkeit war sie schneller als jedes Geleit. In ihren Tanks ruhten beinahe achttausend Tonnen Dieselöl. Genug um ein ganzes Geschwader U-Boote zu versorgen, oder, sollte das notwendig werden, noch ein paar Mal kreuz und quer über den Atlantik zu dampfen, denn sie konnte ohne Probleme den Brennstoff auch für sich selber nutzen. Außerdem lagen in ihren Lagern Ersatzteile aller Art, Munition, und entgegen allen Ankündigungen, die U-68 erhalten hatte, sogar Torpedos.
Im Gegensatz zu ihren Schwestern hatte man während des langen Aufenthalts in Vigo das Schiff sogar mit einem Horchgerät ausgerüstet. Eine eigentlich nicht ganz unlogische Entscheidung, wenn man bedachte, dass die Kurland als Versorger für ein Langstrecken-U-Boot dienen sollte. Nur war Stülpe, wie so viele Seeleute nicht daran gewohnt, dass es bei der Marine logisch zuging. Die Lieferung von Wintermänteln für seine Männer war für ihn nach langer trüber Erfahrung zu einem Zeichen für einen bevorstehenden Einsatz im Südatlantik geworden. Wo sie ja nun auch waren, mitsamt Horchgerät, Brennstoff und auch den erwähnten Wintermänteln, die irgendwo in einem der Frachträume lagen.
Trotzdem sollte die Kurland nicht hier sein, aber das sie hier war, war wiederum eine der Auswirkungen langfristiger Marinelogik. Sie war zu verletzlich, beinahe unbewaffnet und vor allem so groß und in ihrer Silhouette so unverkennbar, dass man gar nicht erst den Versuch gemacht hatte, sie als neutrales Frachtschiff zu tarnen. Ihr Heil lag darin, den Gegner früher zu sehen, als der sie sah und unauffällig zu verschwinden. Nur wie machte man das unauffällig, mit so einem Zossen unter dem Hintern?
Es gab andere Schiffe, die speziell als U-Boot-Begleitschffe gebaut waren. Sie hatten zusätzliche Quartiere, zusätzliche Duschen, Ausrüstung zur U-Boot-Versorgung und alles, was man sich vorstellen konnte. Nur eben nicht genügend Reichweite. Der Versuch ein Troßschiff einzusetzen, war also nur ein Experiment, ob man dem Mangel nicht anders abhelfen konnte. Wenn sich die Strategie bewährte, würden mehr U-Boote auch im Südatlantik operieren können und so die Engländer zwingen, auch hier ihre Kräfte zu verschleißen. Es ergab alles strategisch einen Sinn. Aber nur, wenn das Troßschiff auch noch schwamm und das war genau der Punkt, weswegen sich Korvettenkapitän Stülpe Sorgen machte. Denn die Kurland wurde verfolgt. Zumindest glaubte der Kommandant des Troßschiffes das. Gestern morgen, als sie sich zum ersten Mal dem Punkt Lulu näherten, hatte ein starker Funkverkehr sie rechtzeitig gewarnt. Wer auch immer da gefunkt hatte, es musste ein großes Schiff mit einem starken Sender sein und das schnelle Stakkato der Morsezeichen hatte ihnen sofort verraten, dass es sich um ein Kriegsschiff handelte.
Wie die meisten Troßschiffe konnte die Kurland nicht nur Peilzeichen geben sondern auch Funksprüche orten. Nicht die Entfernung natürlich, aber wenigstens die Richtung. Und wer auch immer da gefunkt, er hatte gestern noch südlich von ihnen gestanden, genau da, wo sie hin wollten. Und auch wenn keiner genau sagen konnte, wie weit südlich, so konnte es bei dieser Sendestärke sicher nicht weit sein. Also hatte Stülpe sich erst einmal abgesetzt. Doch sehr weit konnte er sich nicht absetzen, wenn er das U-Boot, auf das er wartete, nicht ins offene Messer laufen lassen wollte.
Also blieb der Versorger in der Nähe von Lulu, einem jener streng geheimen Treffpunkte in den Weiten des Meeres, nicht mehr als ein winziges Kreuz, dass man ohnehin nur bei genauester Navigation finden konnte, und wartete. Nur, dass der unbekannte Funker auch noch in der Nähe war und ab und zu sendete, irgendwo südlich von ihnen und der Stärke seiner Signale nach zu urteilen, nicht sehr weit hinter dem Horizont verborgen. Natürlich war die Position von Punkt Lulu geheim, aber was war schon wirklich geheim, wenn mehr als zwei Leute davon wussten?
Auf U-68 wusste man von alledem nichts. Die technischen Möglichkeiten des Funkschapps waren einfach nicht mit denen des großen Funkraumes an Bord der Kurland vergleichbar. Theoretisch und auf dem Papier, hätten sie auch eine Chance gehabt, die englischen Funksprüche einzupeilen, aber in der Praxis sah es eher schlecht aus. Nun, in
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