Brennender Stahl (von Hassel)
einmal, er hatte überhaupt nichts gehört! Natürlich, die Funker wurden unter anderem wegen ihres Gehörs dazu ausgebildet, Funker und damit auch Horcher zu werden. Das war ihm auch klar. Aber trotzdem widerstrebte es ihm, so hilflos zu sein.
Er straffte sich etwas und ging zurück in die Zentrale. »Zentralemaat! Stiller Alarm, wir tauchen!«
»Jawoll, Herr Kaleun!«
Männer verschwanden durch die beiden Kugelschotten. Der Maat selber gab durch das Sprachrohr den Befehl nach oben weiter. Einer nach dem anderen kam die Turmwache die Leiter heruntergerutscht, noch während die anderen Männer ihre Gefechtsstationen besetzten. Es dauert alles erheblich länger als normalerweise, aber das war egal. Sie hatten Zeit ... und falls das fremde Schiff über ein leistungsfähiges Horchgerät verfügen sollte, dann bestand kein Grund, den Burschen zu wecken.
Der LI stand, immer noch auf irgendetwas herumkauend, hinter den Tiefenrudergängern. Erst als von oben die Meldung ertönte: »Turmluk ist dicht«, begann er seine Befehle herauszusprudeln: »Zellen Eins, Zwo ...«
Von Hassel wandte sich ab und winkte dem IWO zu, der als letzter die Leiter herunter kam: »Wir wollen mal schauen, ob wir den Burschen nicht besser hören können.« Über die Schulter hinweg befahl er: »LI, Schleichfahrt, bringen Sie uns auf sechzig Meter!«
»Jawoll, Herr Kaleun, sechzig Meter!«
Ruhe kehrte ein. Langsam, vergleichsweise gemütlich, glitt das Boot in die Tiefe, wo es der LI routiniert abfing. Von Hassel wandte sich an Hentrich: »Sie übernehmen, ich bin am Horchgerät!«
»Jawoll!«
Von Hassel ging zum Funkschapp. Willi Rückert hatte die Augen geschlossen und lauschte. Olm reichte ihm erneut die zweiten Kopfhörer. Für einen Augenblick horchte auch er angestrengt in die Leere dort draußen. Es war deutlicher. Ein gleichmäßiges Rumoren. Aber zu hell für Motoren. Auch die Schraubengeräusche klangen für ihn nicht gut. Ein helles Zwitschern, gar nicht zu vergleichen mit den tieferen Tönen der Dampferschrauben vor knapp zwei Wochen. Er räusperte sich. »Ein Kriegsschiff?«
Rückert öffnete die Augen bevor er antwortete. »Ich glaube ja. Oder ein verdammter Turbinendampfer! Aber trotzdem seltsam. Er klingt anders als die Kriegsschiffe, die ich bis jetzt gehört habe. Ich komme nicht drauf, was es ist, Herr Kaleun!«
Von Hassel unterdrückte seine eigene Ungeduld. Es nutzte nichts, Rückert jetzt nervös zu machen. Betont gleichmütig meinte er: »Dann nehmen Sie sich Zeit, vielleicht kommen Sie drauf, Rückert. Immerhin sind wir ja auch noch keinem unserer Versorger bisher begegnet. Haben wir sonst noch was in der Umgebung?«
Der Funkmaat blinzelte. »Ich horche gleich noch mal rum, Herr Kaleun!« Er begann, am Handrad zu drehen und das Geräusch verschwand aus von Hassels Kopfhörern. Mit einem Achselzucken nahm er sie ab und reichte sie an den Matrosen Olm zurück: »Ich bin wieder in der Zentrale. Alles melden, klar?«
»Völlig klar, Herr Kaleun!«
Von Hassel nickte: »Und koppeln Sie den Kurs aus, der Steuermann soll ihnen helfen!« Er drehte sich um und kam in die Zentrale zurück. Der IIWO hockte auf der Apfelkiste und sah ihn neugierig an. »Die Kurland?«
Der Kommandant nahm die Mütze ab und fuhr sich mit der Hand durch das fettige Haar: »Ich weiß es noch nicht. Irgendetwas stimmt nicht. Aber ich komme nicht drauf was.«
Oberleutnant Hentrich löste sich von seinem Stammplatz neben dem Mannloch und trat zu ihnen. »Wenn es die Kurland ist, dann kreuzt sie langsam hin und her, bis wir auftauchen.«
»Richtig!« Von Hassel runzelte die Stirn. »Nur stehen wir immer noch zwanzig Meilen nördlich des Treffpunktes und wir sind wegen unseres Ärgers mit dem Steuerborddiesel einen Tag später dran, als man auf der Kurland annehmen kann.«
Die beiden WOs wechselten einen Blick. In Schneiders Augen dämmerte Begreifen. »Also würde sie, wenn sie auf uns wartet, zwanzig Meilen weiter südlich kreuzen?«
»Richtig!«, von Hassel nickte grimmig und stülpte sich die Mütze wieder auf den Kopf. Dann grinste er freudlos: »Natürlich kann das auch alles einen Grund haben, aber bis wir den wissen, sind wir einfach vorsichtig.«
Vorne im Burgraum drückte man sich nicht ganz so gewählt aus. Daniel Berger, seit der letzten Motorenreparatur, die ihm etliche Schrammen eingebracht hatte, in »der Bepflasterte« umgetauft, verzog das Gesicht: »Also, ist das nu unser Troßschiff oder ist es das nicht?«
Dörfler, der
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