Brennender Stahl (von Hassel)
auf!«
Die halbe Stunde, die ihnen blieb, bis sie in Sichtweite des Frachter kamen, schien wie im Fluge zu vergehen. Noch immer war der Himmel strahlend hell, als wolle die Sonne nie untergehen. Licht war gut für das Prisenkommando, dessen Aufgabe es war, an Bord des Frachters zu gehen. Licht war aber auch gut für einen Flieger, der zufällig des Weges kam. Letzten Endes würde es eine Glückssache werden.
Unten im Feldwebelraum musterte Oberleutnant Hentrich noch einmal persönlich seine Männer. Braunert, den hatte er erwartet, ebenso Dörfler. Wenn Braunert dabei war, dann konnte der Bayer wohl kaum zurückstehen. Beides gute Männer, auch wenn sie im Augenblick etwas unsicher auf die ungewohnten Gewehre starrten. Lauer, der Moses. Was den getrieben hatte, sich freiwillig zu melden? Sein Gesicht zeigte wie immer einen Ausdruck naiver Entschlossenheit. Der Stahlhelm ließ ihn eher jünger erscheinen. Oberleutnant Hentrich unterdrückte seine Verblüffung. Immerhin schien der Junge mit dem Gewehr vertraut zu sein. Hentrichs Blick glitt weiter: Daniel Berger, der Maschinist. Er würde aufpassen müssen, dass keiner der Tommies Ärger in der Maschine veranstaltete. Der Gedanke, sich der frischen Seeluft aussetzen zu müssen schien ihn mehr zu erschrecken als die Aussicht, sich mit ein paar feindlichen Seeleuten herum schießen zu müssen. Der Letzte in der Reihe war der Funker Henke. Er trug kein Gewehr sondern einen Verbandskasten und eine Vartalampe um Nachrichten zum Boot morsen zu können.
Hentrich spürte das ungewohnte Gewicht der Pistole an seiner Hüfte. Er hatte genauso wenig Ahnung wie seine Männer, was ihn erwartete, aber es war der falsche Moment das zu zeigen. Für einen Augenblick spürte er den Blick des Bootsmannes, der vom Schott aus zusah. Volkerts wäre auch mitgegangen, aber er wurde hier an Bord benötigt.
»Männer, wir machen keine Messe aus der ganzen Sache. Wir rudern mit dem Schlauchboot rüber. Ihr verteilt Euch an Deck und haltet alle Niedergänge im Auge. Ich gehe auf die Brücke und spreche mit dem Kapitän. Dann sehen wir weiter! Und bevor die da drüben Unfug machen, schießt lieber!«
Die Männer sahen einander unsicher an, aber keiner widersprach. Natürlich nicht. Wenn es da drüben zu einem Kampf kommen sollte, waren sie alleine. Der Kommandant konnte kaum mit dem Decksgeschütz auf den Frachter schießen lassen solange seine eigenen Leute auf dem Schiff waren.
Oben auf dem Turm beobachtete von Hassel durch sein Glas die langsame Annäherung des anderen Schiffes. »Sieht wie ein Tanker aus, kommt schnurstracks auf uns zu!«
»Er hat uns wohl noch nicht gesehen! Er zackt nicht einmal! Scheint, die Engländer haben keine U-Bootwarnung rausgegeben. Eigentlich dumm!«
»Abwarten!« Von Hassel spürte die nagende Unsicherheit. Hatte er etwas übersehen? Misstrauisch hob er das Glas erneut. »Hat er eine Flagge gesetzt? Ich sehe nichts!«
»Nichts! Er wird es tun, wenn wir ihn anhalten!«
Der Alte senkte das Glas. »Hoffen wir es! Es wird Zeit! Geschützbedienung ans Geschütz! Wir feuern ihm eins vor den Bug und fordern ihn zum Stoppen auf wenn er auf zwei Meilen ran ist. Rückert soll die Notrufwelle abhören ob er funkt. Olm mit der Vartalampe auf den Turm. Flak besetzen!«
»Drei Meilen noch!«, Rudi Schneider gab die Befehle durch das Sprachrohr nach unten weiter.
Das Versorgungsluk auf dem Vorschiff sprang auf und die Männer der Geschützbedienung sprangen heraus, gefolgt von Dieter Hentrichs Prisenkommando. Die Männer begannen, das Geschütz klarzumachen und das Schlauchboot aufzublasen. Wenigstens hatten die großen Boote eines.
Das war der kritische Moment. Das große Versorgungsluk stand weit offen, Männer waren auf dem Vordeck beschäftigt und Munition wurde nach oben gemannt. Wenn jetzt ein Flieger auftauchte, dann würde das Boot nicht einmal tauchen können. Ein Seemann besetzte die Flak-Maschinenkanone im Wintergarten. Langsam schwenkte er die Rohre hin und her.
Unten auf dem Vordeck richteten die Männer die große Zehn-Fünf. Das Rohr schwang etwas aus der Mittschiffslinie und begann, sich zu heben während der Richtschütze an den Handrädern kurbelte. Von Hassel, der sich über die Turmbrüstung streckte, sah, dass der Schmadding selber am Visier stand. Außer ein paar Runden zur Übung hatten sie bisher noch nie mit dem Geschütz geschossen. Der Kommandant verzog das Gesicht bei dem Gedanken. »Bootsmann! Einen Schuß vor den Bug!«
Beinahe
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