Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brennendes Land

Brennendes Land

Titel: Brennendes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
Vom Netzwerk:
zu bestimmen, bloß weil sie deine Rechnungen zahlen. Also, ich will dir ein Geheimnis anvertrauen, Greta. So etwas wie ›reine Wissenschaft‹ gibt es nicht. ›Reine Wissenschaft‹ ist eine ebensolche bösartige Lüge oder arglistige Täuschung wie ›unabhängige Justiz‹ oder ›absolute Freiheit‹. Begehren ist niemals rein, und das Streben nach Wissen ist bloß eine andere Form von Begehren. Es gibt keinen Wissenszweig, der so rein und abstrakt wäre, dass er vor den Niederungen und dem Schmutz gefeit wäre. Wenn der menschliche Geist etwas verstehen kann, dann kann er es auch begehren.«
    Sie seufzte. »Ich weiß nie, was ich davon halten soll, wenn du so redest… Am liebsten würde ich dir alles erzählen, was mir in letzter Zeit so durch den Kopf gegangen ist.«
    »Versuch’s mal.«
    »Es ist so… Man will etwas, aber man weiß, es ist schlecht für einen. Deshalb verkneift man sich’s, will es aber doch, verkneift es sich und will es – aber es ist einfach zu verlockend. Deshalb gibt man dem Wunsch nach, und dann passiert es. Und da stellt man fest, dass es gar nicht so schlecht ist, wie man dachte. Nicht halb so schlecht. Eigentlich ist es sogar gut. Richtig gut. Es ist wundervoll. Man fühlt sich besser. Man fühlt sich wie neugeboren. Stärker. Man versteht sich besser. Man hat Kontakt zu sich selbst. Man verleugnet sich nicht mehr. Man ist nicht mehr distanziert und rein. Man ist lebendig und nimmt Anteil an der wirklichen Welt. Man weiß, was man will.«
    Oscar verspürte schwindelerregenden männlichen Triumph. Das Gefühl währte etwa drei Sekunden, erreichte seinen Höhepunkt und machte dann einer bösen Vorahnung Platz.
    »Eine Liebesbeziehung ist nicht immer eitel Sonnenschein«, sagte er.
    Greta schaute ihn verblüfft an. »Oscar, Lieber, ich rede nicht von Sex. Das ist ja alles gut und schön, und ich bin glücklich darüber, aber wir beide könnten so viel Sex haben, wie wir wollen, und es würde doch nichts ändern. Ich will damit sagen, dass du mir dadurch, dass du mir Macht gegeben hast, ein reales und dauerhaftes Geschenk gemacht hast, Oscar. Jetzt weiß ich endlich, was Macht bedeutet. Zum erstenmal im meinem Leben kann ich zu anderen Menschen sprechen. Wenn sie da alle vor mir sitzen, meine Leute, kann ich Ihnen die Wahrheit sagen. Ich kann sie überzeugen. Ich kann sie führen. Ich bin ihre Anführerin geworden. Ich verfüge über wahre Macht. Ich glaube, ich wollte immer schon Macht, aber ich habe dem Wunsch widerstanden, weil ich glaubte, Macht sei schlecht für mich – aber das ist sie nicht! Jetzt weiß ich, was Macht bedeutet, und mein Gott, sie tut ja so gut. Sie verändert mich vollständig. Ich will immer mehr davon.«
     
    Gegen Ende ihrer zweiten Woche als Direktorin feuerte Greta die ganze Abteilung für Materialforschung. Dadurch wurde eine Menge Platz im betreffenden Labor frei, das an der Ostseite der Kuppel neben der botanischen Abteilung lag. Die lange Zeit vernachlässigten Botaniker waren über den Raumgewinn überglücklich. Die Schließung des unersättlichen Labors für Materialforschung war zudem ein finanzieller Segen für das Laboratorium.
    Auch für Oscars Hotel war sie ein Segen. Das Hotel war voll belegt mit Gebrauchtmaterialienhändlern, anrüchigen Mittelsmännern, die in Buna eingetroffen waren, kaum dass die zum Verkauf stehende Hardware in ihrem Netz annonciert worden war.
    Die meisten Materialwissenschaftler fanden sich grummelnd mit den vollendeten Tatsachen ab. Nicht jedoch Dr. David Chander. Chander hatte von Anfang an eifrig am Streik teilgenommen und war zudem ein heller Kopf. Um seiner Entlassung entgegenzuwirken, hatte er sich vom Streikkomitee taktisch beraten lassen. Er hatte seine Ausrüstung mit Superkleber an den Labortischen festgeklebt und sich in der Forschungseinrichtung verbarrikadiert. Da saß er nun und weigerte sich kategorisch, das Labor zu verlassen.
    Kevin hatte vorgeschlagen, mit einem hydraulischen Rammbock in Chanders Labor einzudringen. Die Laboratoriumspolizei war zu durcheinander und verdrossen, um die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Kevin wäre liebend gern in die Rolle des entschlossenen Ordnungshüters geschlüpft, Oscar aber glaubte, dies würde ein ungünstiges Licht auf das neue Regime werfen. Gewalttätige Auseinandersetzungen wollte er nicht unterstützen; dergleichen war unprofessionell, nicht sein Stil.
    Stattdessen beschloss er, den Mann niederzureden.
    Oscar und Kevin stiegen zu Chanders im dritten

Weitere Kostenlose Bücher