Brennendes Land
auffallend.
Er blickte sich über die Schulter zum. Greta war bereits verschwunden.
Bald darauf machte er Pelicanos aus, und nach vier quälenden Minuten hatten sie Greta gefunden. Sie war zu einem Freigelände mit Zelten und Tischen geschlendert, die mit einem erstaunlichen Durcheinander von gebrauchten Elektronikteilen bepackt waren.
»Warum machst du dich selbstständig?« fragte er.
»Ich hab mich nicht selbstständig gemacht. Du bist verschwunden.« Sie wühlte in einer flachen Messingschale mit nichtleitenden Sonden.
»Wir müssen beieinander bleiben, Greta.«
»Ich vermute, das lag an meinem kleinen Freund«, erwiderte sie und fasste sich an den Ohrclip. »Daran bin ich nicht gewöhnt.« Sie schlenderte mit funkelnden Augen zum nächsten Tisch, der mit Kisten voller bunter Kabel, Planscheiben, Stapelboxen und Adaptern bepackt war.
Oscar besah sich einen Karton mit Elektrogeräten. Die meisten waren aus gebrochen weißem Plastik, manche aber offenbar von den Nomaden hergestellt. Diese waren aus gepresstem Gras. Die behandelte Zellulose war leicht, aber fest und hatte eine körnige Oberfläche, wie Müsliriegel.
Greta war hingerissen, und auch Oscar vermochte sich der Faszination der Waren nicht zu entziehen. Er hatte gar nicht gewusst, wie fortschrittlich die Herstellungsweise der Nomaden war. Er blickte den Gang entlang. Sie waren vollständig umgeben vom Müll der amerikanischen Computer- und Phonoindustrie, völlig wertloser Plunder, der mit alten Werbesprüchen beklebt war. »Neu im Angebot: Strata VIe und XIIe!« Da gab es völlig veraltete Firmenprogramme, für die kein Mensch mehr Verwendung hatte. Stapel von Tintenpatronen für nicht mehr existente Drucker. Unergonomische Mäuse und Joysticks, die einem auf Dauer garantiert die Handgelenksehnen ruinieren würden… Und riesige Mengen Software, deren fiktiver ›Wert‹ aufgrund des verlorenen Wirtschaftskriegs implodiert war.
Das war aber noch nicht alles. Wirklich merkwürdig dabei war, dass die Nomadenproduzenten diesen Dschungel alten Plunders so energisch infiltrierten. Sie bastelten neue, funktionale Objekte daraus, die kein Müll mehr waren, sondern unheimliche Parodien von kommerziellem Müll, geschaffen mit neuen, nichtkommerziellen Methoden. Was früher einmal aus teurem, glänzendem Kunststoff bestanden hatte, bestand nun aus gehäckseltem Stroh und Papier. Den Platz der Angestellten hatten arbeitslose Fanatiker mit billiger Ausrüstung, komplizierten Netzwerken und aller Zeit der Welt eingenommen. Ehemals teure und nun ökonomisch wertlose Geräte wurden nach und nach durch fast identische Geräte ersetzt, die ebenfalls nichtkommerziell, aber dennoch brandneu waren.
An einem Tisch, wo Funkwanzen feilgeboten wurden, herrschte reger Betrieb. Ein Mann und eine Frau mit Turmfrisuren und Gesichtsbemalung boten stolz das ganze Sortiment der Abhörindustrie feil: Körperkabel, Schwanenhalstaschenlampen, Kabelklemmen, Erdungsvorrichtungen, Sauger, Zahnstocher und Pinzetten und zahlreiche Schachteln mit fingernagelgroßen Abhörwanzen. Wer, wenn nicht die beschäftigungslosen Nomaden, konnte sich das Vergnügen leisten, geduldig zu lauschen, zu sammeln und saftige mitgeschnittene Gesprächsfetzen zu verkaufen? Oscar besah sich eine Schaumstoffbox mit Sechskantschraubenschlüsseln, die mit Kameraaugen ausgestattet waren.
»Nehmen wir uns mal eine anderen Reihe vor«, drängte Greta, mit funkelnden Augen und wirrem Haar. »Da drüben gibt es medizinische Geräte!«
Sie wechselten in das Reich der untoten Geräte über. Hier gab es haemostatische Pinzetten, chirurgische Scheren, Gefäßklammern, verschweißte Plastikhandschuhe aus der Zeit von AIDS. Greta betrachtete fasziniert die Knochenschrauben und Tupfer, die spottbilligen chinesischen Vergrößerungsbrillen und die kleinen vakuumverschlossenen Kanister mit sterilem Silikonfett.
»Ich brauche Bargeld«, meinte Greta plötzlich. »Leih mir was.«
»Was hast du denn? Du kannst diesen Plunder nicht kaufen. Du kennst doch nicht mal die Herkunft.«
»Deshalb will ich ihn ja kaufen.« Sie musterte ihn stirnrunzelnd. »Hör mal, ich war Chef der Ausrüstungsabteilung. Wenn die hier Proteinsequenzierer anbieten, dann will ich wissen, was es damit auf sich hat.«
Sie wandte sich an den Verkäufer, der vor seinem aufgeklappten Laptop saß und kichernd selbst gezeichnete Comics betrachtete. »Hallo, Mister. Wie viel kostet das Cytometer?«
Der Provinzler sah vom Bildschirm auf. »Meinen Sie
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