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Brennendes Land

Brennendes Land

Titel: Brennendes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Oder um eine nahende böse Grippe. Es war schlimm. Sehr schlimm. Er fragte sich, ob er es überleben würde. Sein Herz setzte plötzlich aus und schlug dann so leicht und schnell, als sei in seinem Brustkasten eine Motte eingeschlossen. Er stolperte und wäre beinahe gestürzt.
    »Ich glaube, ich brauche einen Arzt.«
    »Klar, Mann, später. Sobald Sie mit dem Präsidenten gesprochen haben.«
    Oscar blinzelte mehrmals hintereinander. In seinen Augen schwammen Tränen. »Ich kann nicht mal mehr richtig sehen.«
    »Nehmen Sie ein paar Antihistamine. Hören Sie, Mann – Sie können jetzt nicht schlappmachen, der Präsident will Sie sprechen! Kapiert? Sie haben das große Los gezogen. Wenn es Ihnen nicht gelingt, ihn wegen der Schießerei am Sabine River zu beruhigen, bin ich erledigt. Dann kann ich den Böser-Weißer-Terroristenrap anstimmen, gleich neben meinem Dad. Und Sie und Dr. Penninger, für Sie dürfte es ebenfalls verdammt ernst werden. Okay? Sie müssen das wieder hinbiegen.«
    »Stimmt«, sagte Oscar und straffte sich. Kevin hatte völlig Recht. Dies war der entscheidende Moment seiner Laufbahn. Der Präsident wartete. Er durfte nicht versagen. Und dabei hatte er Herzflimmern.
    Kevin geleitete ihn durch die Schleuse des Hochsicherheitstrakts. Dann löste er ein monströses Telefon vom Gürtel und rief ein Taxi, worauf zwölf leere Wagen gleichzeitig eintrafen. Kevin wählte einen aus, und sie fuhren zum Medienzentrum. Einen Aufzug hoch. Kevin führte ihn in einen grünen Raum, wo Oscar zunächst den Kopf unter einen Wasserhahn hielt. Er hatte stark abgebaut. Auf Brust und Hals hatte er scharlachroten Ausschlag. Seine Hände zitterten heftig. Seine Haut war straff gespannt und prickelte. Gleichwohl stellte der kalte Wasserschwall auf den Nacken seine schlangenhafte Wachsamkeit wieder her.
    »Haben Sie einen Kamm?« fragte Oscar.
    »Sie brauchen keinen Kamm«, entgegnete Kevin. »Der Präsident hat über ein Kopfdisplay angerufen.«
    »Was?« meinte Oscar. »Virtuelle Realität? Sie machen Witze! Sowas klappt doch nicht.«
    »In sämtlichen staatlichen Laboratorien wurde VR installiert. Eine Initiative zur Förderung der Übertragung mit hoher Bandbreite, gestartet vor einer Million Jahren. Im Keller des Weißen Hauses gibt es eine VR-Anlage.«
    »Wissen Sie überhaupt, wie man mit dem Ding umgeht?«
    »Scheiße, nein! Ich musste die halbe Belegschaft aus dem Bett holen, bis ich jemanden gefunden hatte, der das Gerät booten konnte. Jetzt hat sich hier ein größeres Publikum versammelt. Die wissen alle, dass der Präsident anruft. Wissen Sie, wie lange es her ist, dass ein Präsident von der Anlage Notiz genommen hat?«
    Oscar rang nach Atem, starrte in den Spiegel, bemühte sich, seinen Herzschlag zu beruhigen. Dann ging er ins Studio hinüber, wo man ihm ein Behältnis überstülpte, das an den Helm eines Tiefseetauchers erinnerte.
    Der Präsident spazierte gerade am Fuße der majestätischen purpurfarbenen Rocky Mountains durch bernsteinfarbenes Getreide. Nach einem Moment der Desorientierung erkannte Oscar den Hintergrund wieder. Er stammte von einem der Wahlkampfplakate von Two Feathers.
    Leonard Two Feathers war alles andere als der schönheitschirurgisch aufbereitete Gegenwartspolitiker. Der Präsident hatte große, flache Wangenknochen, eine Adlernase, einen Banktresor von einem Mund. Langes, schwarz-graues Haar floss ihm über die Schultern. Wie üblich trug er eine Fransenjacke aus Hirschleder. Die schwarzen, schlauen Augen des Präsidenten standen so weit auseinander wie die eines Hammerhais.
    »Mr. Valparaiso?« sagte der Präsident.
    »Ja? Guten Abend, Mr. President.«
    Der Präsident musterte ihn schweigend. Offenbar nahm er Oscar als körperloses, in Schulterhöhe schwebendes Gesicht wahr.
    »Wie ist die Lage in Ihrem Labor? Sind Sie wohlauf, Sie und die Direktorin, Dr. Penninger?«
    »Soweit, so gut, Sir. Wir haben das Gelände dichtgemacht. Wir wurden Opfer eines schweren Computerangriffs, der unser Finanzsystem ruiniert hat, deshalb mussten wir die meisten Telefon- und Computerleitungen unterbrechen. Wir haben noch interne Probleme mit einer Gruppe Unzufriedener, die ein Gebäude besetzt haben. Aber gegenwärtig ist unsere Lage stabil.«
    Der Präsident ließ das Gehörte einsinken. Er kaufte ihm die Geschichte ab. Aber sie machte ihn nicht glücklich. »Beantworten Sie mir eine Frage, junger Mann. Was haben Sie mir da eingebrockt? Weshalb waren ein französisches U-Boot und dreihundert

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