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Brennendes Land

Brennendes Land

Titel: Brennendes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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es in kurzer Zeit, bei den im Keller unter dem Oval Office wirkenden neuen Mächten an Einfluss zu gewinnen. Er studierte ihre Dossiers, prägte sich die Namen und Ablaufdiagramme ein und festigte seine Stellung, indem er bescheiden um kleine Gefallen bat. Es fiel nicht schwer, ihm diese kleinen Gefallen zu gewähren, doch er achtete darauf, dass eine Ablehnung einen Grabenkrieg bei der Belegschaft des Weißen Hauses ausgelöst hätte. Auf diese Weise setzte er seinen Willen durch.
    Ein drängendes Problem löste er dadurch, dass er die Laborpolizei auflöste. Die Angehörigen der Polizeitruppe ließ er in einem ungekennzeichneten Frachthubschrauber aus Texas ausfliegen. Sie wurden einer staatlichen Ausbildungseinrichtung in Westvirginia überstellt. Die Laborpolizisten wurden nicht entlassen, geschweige denn, dass man sie wegen Amtsvergehen und Bestechlichkeit angeklagt hätte; ihr Budget allerdings wurde auf Null gesetzt, und das Personal verschwand einfach für immer im Labyrinth staatlicher Versetzungen.
    Somit hatte das Labor kein Budget mehr, aus dem man eine Polizeitruppe hätte bezahlen können. Aber es war machbar. Schließlich verfügte das Labor über gar keine Geldmittel mehr. Alle arbeiteten ohne Bezahlung. Sie lebten vom Tauschhandel, vom Gartenbau, vom Verkauf überschüssiger Büroausrüstung und unterschiedlichen kleineren Nebenjobs.
    Die folgenden Tage waren die intensivsten und produktivsten in Oscars ganzer politischer Laufbahn. Die Lage im Labor war ein einziges Durcheinander. Es hätte des Organisationsgeschicks eines Genies bedurft, daran etwas zu ändern. Oscar war kein Genie. Allerdings vermochte er mangelnde Genialität durch weniger Schlaf und größeren Arbeitseinsatz wettzumachen.
    Die erste größere Herausforderung bestand darin, die Folgen der Invasion durch die Moderatoren abzumildern. Es galt, die Moderatoren davon abzuhalten, die Anlage zu beschädigen und zu plündern. Oscar bewerkstelligte dies dadurch, dass er den Moderatoren mitteilte, sie seien nun die Besitzer der Anlage. Zwar könnten sie vorsätzlich alles demolieren, doch dann würden die Lebenserhaltungssysteme zusammenbrechen, die Atmosphäre würde umkippen, und all die wertvollen seltenen Tiere würden sterben. Die Moderatoren würden wie alle anderen in einem unbewohnbaren Glasghetto ersticken. Wenn sie sich jedoch mit den Wissenschaftlern arrangierten, besäßen sie einen riesigen genetischen Garten Eden, in dem sie ohne Zelte im Freien leben könnten.
    Oscars Argumente zeigten Wirkung. Natürlich kam es zu einigen hässlichen Zwischenfällen, das hieß, die Prolos grillten ein paar besonders schmackhafte Exemplare. Der abscheuliche Gestank aber machte deutlich, dass in der Kuppel offenes Feuer für alle abträglich war. Im Laufe der Zeit stabilisierte sich die Lage.
    Ein neues Komitee wurde gebildet, das die Bedingungen der Koexistenz von Wissenschaftlern und Dropouts ausarbeiten sollte. Ihm gehörten Greta, die Verwaltungsratsmitglieder, Kevin, Oscar, hin und wieder Angehörige von Oscars Mannschaft in beratender Funktion sowie verschiedene Gurus, Häuptlinge und Spezis aus Burningboys Umgebung an. Dieses neue Verwaltungsorgan brauchte einen Namen. ›Streikkomitee‹ konnte man es nicht nennen, denn das gab es bereits. Alsbald setzte sich die Bezeichnung ›Notstandsausschuss‹ durch.
    Oscar bedauerte die Namensgebung, denn er hatte einen Abscheu gegen sämtliche Notstandsausschüsse; allerdings hatte die Bezeichnung auch einen großen Vorteil. Man brauchte sie nicht jedermann erklären. Die amerikanische Bevölkerung war das Schauspiel der kollabierenden staatlichen Institutionen, an deren Stelle Notstandsausschüsse traten, bereits gewohnt. Dass nun auch das Labor von einem ›Notstandsausschuss‹ geleitet wurde, war leicht zu verstehen. Man konnte dies als Prestigegewinn verbuchen, ganz so, als sei das Laboratorium ebenso grandios gescheitert wie der Kongress.
    Oscar stellte die Plakatkampagne ein. Der Streik war endgültig beendet, und die neue Verwaltung machte einen neuen grafischen Look und einen neuen Medienansatz erforderlich. Nach einem Brainstorming mit seiner Mannschaft beschloss Oscar, Lautsprecher einzusetzen. Die fortwährenden Beratungen des Notstandsausschusses sollten über ein halbes Dutzend Lautsprecher übertragen werden, platziert in verschiedenen öffentlichen Bereichen innerhalb der Kuppel.
    Dies erwies sich als kluge Entscheidung. Die Lautsprecher wirkten ansprechend provisorisch,

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