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Brennendes Land

Brennendes Land

Titel: Brennendes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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schlimmer. Die Finanzverwaltung des Labors war nach einem Virenangriff zusammengebrochen. Das Labor war nicht bloß pleite, seine Bewohner konnten nicht einmal feststellen, wie sehr sie pleite waren. Daher vermochten sie auch nicht die Bedingungen zu umreißen, die hätten Abhilfe schaffen können.
    Die Nachricht, dass der Präsident von ihren Nöten Notiz nahm, hatte der Moral im Labor Aufwind gegeben. Der Präsident hatte der Direktorin sogar eine vorbereitete Rede übermittelt, die von Greta brav verlesen wurde. Ein Thema allerdings wurde in der Rede verräterischerweise ausgespart, nämlich das Geld. Die Presseerklärung war im Wesentlichen ein langer Lobgesang auf die Fähigkeiten des Präsidenten, Recht und Ordnung wiederherzustellen. Die Finanzierung des Labors war nicht das Problem des Präsidenten. Der Kongress verwaltete die Finanzen, hatte es aber trotz aller Anstrengungen noch immer nicht geschafft, einen Haushalt zu verabschieden.
    Für ein staatliches Forschungslabor war dies eine Katastrophe epischen Ausmaßes, für die Prolos allerdings ganz normal.
    Daher – so erklärte Oscar vor dem Notstandsausschuss – sei dies eine Frage des Zusammenlebens. Und ein Zusammenleben sei machbar. Nachdem sie die Bindungen an die herkömmlichen Regeln der politischen Realität kühn gekappt hätten, könne die neue Mischbevölkerung des Labors in der Glaskuppel nun nach Belieben schalten und walten. Die Menschen hätten kein Geld, dafür aber Wärme, Strom, Luft, Nahrung und Obdach: sie könnten ihre Energien nun auf das Überleben verwenden. Sie könnten die Turbulenzen draußen aussitzen, und da sie sich auch der staatlichen Aufsicht entzogen hätten, könnten sie sich alle auf ihre Lieblingsprojekte konzentrieren. Endlich einmal hätten sie Zeit, ihre eigentliche Forschungsarbeit voranzubringen. Dies sei ein wesentlicher Fortschritt, die Bedingungen wären nahezu paradiesisch, und nun läge es ganz an ihnen. Sie müssten lediglich mit ihren eigenen Widersprüchen zurechtkommen.
    Nach Oscars Vortrag herrschte langes Schweigen. Die Mitglieder des Notstandausschusses blickten ihn verwundert an. Im Moment waren Greta, ihr engster Vertrauter und Förderer Albert Gazzaniga, Oscar, Yosh Pelicanos, Captain Burningboy und ein weiterer Vertreter der Moderatoren anwesend – ein junger Mann namens Ombahway Tuddy Flagboy.
    »Oscar, du erstaunst mich«, sagte Greta. »Du verstehst es, das Unglaubliche plausibel erscheinen zu lassen.«
    »Was ist denn so unglaublich daran?«
    »Alles. Das ist eine staatliche Einrichtung! Die Moderatoren sind hier gewaltsam eingedrungen. Sie halten die Anlage besetzt. Sie halten sich illegal hier auf. Darin dürfen wir sie nicht unterstützen! Wenn der Präsident Truppen schickt, werden wir alle der Kollaboration angeklagt. Man wird uns festnehmen und entlassen. Nein, schlimmer noch. Man wird uns liquidieren.«
    »So etwas hat es in Louisiana noch nicht gegeben«, sagte Oscar. »Weshalb sollte es jetzt dazu kommen?«
    Gazzaniga ergriff das Wort. »Weil der Kongress und die Notstandsausschüsse den Luftwaffenstützpunkt in Louisiana im Grunde nicht wollten. Er bedeutete ihnen nicht genug, um tätig zu werden.«
    »Wir bedeuten ihnen auch nichts«, versicherte ihm Oscar. »Es stimmt, der Präsident hat Interesse bekundet, aber hey, das ist jetzt schon eine ganze Woche her. Eine Woche bedeutet bei einer militärischen Krise eine ganze Ewigkeit. Hier sind keine Unionstruppen. Weil es hier nicht um eine militärische Krise geht. Die militärische Krise des Präsidenten findet in den Niederlanden statt, nicht in Osttexas. Zu einem Zeitpunkt, da der kalte Krieg in einen heißen umzuschlagen droht, wird er im Inland keine Truppen entsenden. Wir sollten zur Kenntnis nehmen, dass die Moderatoren unsere Truppen sind. Sie sind besser als die Unionstruppen. Richtige Soldaten können uns nicht ernähren.«
    »Tausende nichtzahlende Gäste können wir uns nicht leisten«, wandte Pelicanos ein.
    »Yosh, vergiss doch mal für einen Moment die roten Zahlen. Wir brauchen sie uns nicht ›zu leisten‹. Sie sind imstande, uns zu ernähren und zu kleiden, wir brauchen ihnen dafür bloß Unterschlupf und politische Rückendeckung zu gewähren. Das ist eben das Schöne am Notstand, verstehst du? Wir können auf unbestimmte Zeit so weitermachen! Das ist die Apotheose des Streiks. Während des Streiks haben wir uns alle geweigert, uns mit etwas anderem als Wissenschaft zu beschäftigen. Jetzt, da wir uns im Notstand

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