Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brennendes Land

Brennendes Land

Titel: Brennendes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
Vom Netzwerk:
Boston ein richtiges Bier trinken. Wir könnten uns ein Hockey-Spiel ansehen.«
    »Ich muss mit Huey reden«, erklärte Oscar kategorisch. »Ich habe etwas Persönliches mit ihm zu klären.«
     
    Green Huey hatte sich halb zur Ruhe gesetzt. Er nahm an einer Menge Einweihungsfeierlichkeiten teil und schnibbelte Seidenbänder durch. Die öffentliche Imagepflege wurde dadurch erschwert, dass er von einer militanten Phalanx von Regulatoren-Bodyguards umgeben war, aber Huey genoss die Show. Der Ex-Gouverneur war schon immer für einen Lacher gut gewesen. Er wusste, wie man die Leute bei Laune hielt.
    Oscar und Kevin verkleideten sich als Obdachlose, ließen sich durchs soziale Netz hindurchfallen und pirschten sich an den Gouverneur heran. Sie reisten bei Nacht und schliefen in den miesesten Hotels; sie schlugen ihre neu erworbenen Militärzelte in Parks auf. Sie verbrannten ihre Ausweise und trugen Strohhüte, Gummistiefel und Overalls. Kevin trat als Oscars Aufpasser auf, ein humpelnder Typ mit einer Gitarre. Oscar gab sich als Kevins etwas unterbelichteter Cousin aus, der ständig vor sich hinbrummelte. Oscar hatte ein Akkordeon dabei. Obwohl Akkordeonmusik in der Gegend mal sehr beliebt gewesen war, ging man ihnen meistens aus dem Weg. Als geistig gestörte Straßenmusikanten, die jeden Moment einen Song anstimmen mochten, boten sie einen furchteinflößenden Anblick.
    Oscar hatte die Geduld mit Huey verloren. In dieser Hinsicht war er gespaltener Meinung. Oscar war in letzter Zeit ständig gespaltener Meinung. Einerseits wollte er den Mann öffentlich zur Rechenschaft ziehen. Andererseits wollte er ihn schlicht und einfach ermorden. Dieser Gedanke erschien Oscar mittlerweile durchaus plausibel, denn der Wunsch, Politiker zu ermorden, war nicht ungewöhnlich bei geistig gestörten Entwurzelten, die nichts mehr zu verlieren hatten. Er und Kevin stritten sich ernsthaft über das Thema. Kevin schwankte offenbar zwischen Pro und Contra. Oscar war gleichzeitig pro und contra.
    Das strategische Problem war erschreckend vielgestaltig. Oscar fiel es äußerst schwer, die Gedanken vorübergehend einmal abzustellen, denn er vermochte nun zahlreiche unterschiedliche Aspekte eines Themas gleichzeitig zu bedenken. Huey umbringen. Huey verstümmeln, ihm vielleicht persönlich die Arme brechen. Die Vorstellung, ihn auf Dauer in den Rollstuhl zu verbannen, hatte ihren Reiz. Huey zu blenden hatte etwas Biblisches. Aber wie? Ein Anschlag aus dem Hinterhalt war für zwei Amateure, die noch nie mit Schusswaffen zu tun gehabt hatten, ein schwieriges Unterfangen. Der Einsatz von Waffen hätte zudem die unverzügliche Festnahme zur Folge gehabt. Gift klang verlockend, würde aber eine Menge Planung und einen großen Aufwand erfordern.
    »Sie gehören doch dem NSR an, oder?« sagte Kevin, als sie zum Gezirpe der Grillen, fernab des üblen Überwachungsnebels der Stadt, im Zelt ihre Schlafsäcke ausrollten. »Ich dachte eigentlich, man hätte Ihnen da beigebracht, was für schlimme Dinge man mit Zigarrensud anfangen kann.«
    »Der Präsident ordnet nicht die Ermordung von innenpolitischen Gegnern an. Könnte man ihm das nachweisen, würde er des Amtes enthoben. Das ist völlig kontraproduktiv.«
    »Sind Sie nicht ein Agent des Präsidenten?«
    Das war eine kluge Bemerkung. Oscar wurde bewusst, dass er sich ein wenig in den wuchernden Ranken seiner kognitiven Prozesse verheddert hatte. Am nächsten Tag kehrten sie in einem schmuddligen Lokal am Stadtrand von Mamou ein und riefen über ein Satellitenmünztelefon den NSR an.
    Es dauerte eine Weile, bis Oscars unmittelbarer Vorgesetzter den Münztelefonanruf über eine äußerst unsichere Leitung aus dem Herzen von Cajun-Land entgegennahm. Als er endlich dranging, war er fuchsteufelswild. Oscar erklärte, er sei vergiftet worden, er sei mental nicht auf der Höhe und habe einen totalen geistigen Zusammenbruch erlitten, weshalb er für seine Handlungen nicht mehr verantwortlich und für den öffentlichen Dienst fortan ungeeignet sei, sodass er von seinem Posten unverzüglich zurücktreten müsse. Sein Vorgesetzter befahl ihm, nach Washington zu fliegen und sich eingehend untersuchen zu lassen. Oscar erwiderte, dass dies nicht seinen Absichten als Privatmann entspreche. Sein Vorgesetzter meinte, man werde ihn festnehmen. Oscar erklärte, er befinde sich derzeit mitten in Louisiana, wo die Einheimischen auf Unionsagenten nicht gut zu sprechen seien. Er legte auf. Das viele Reden hatte ihn

Weitere Kostenlose Bücher