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Brennendes Land

Brennendes Land

Titel: Brennendes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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war hellwach und auf schwer fassliche Weise mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt.
    Eine Krankenschwester passte auf, während Oscar Greta voll bittersüßer Empfindungen betrachtete. Bitter; süß; bitter/süß, bittersüß. Sie war entrückt, verschlossen, angefüllt mit überwältigenden Einsichten. Greta war noch nie so mit sich eins gewesen. Es hätte eine Entweihung bedeutet, sie zu berühren.
    In Begleitung der Krankenschwester schlurfte Oscar zurück zu seiner Zelle. Er fragte sich, wie sich das Gas wohl bei Greta auswirkte. Offenbar war die Wirkung nicht bei allen Menschen gleich. Vielleicht standen dem zweigleisigen Denken ja ebenso viele Wege offen wie dem eingleisigen.
    Wenn er die Augen schloss, spürte er es sogar körperlich. Es war, als hätte man zwei weiche Blasen voller Flüssigkeit, den aneinander geschmiegten Yin-Yang-Hälften gleich, in seinen beengten Schädel gestopft. Das eine Aufmerksamkeitszentrum lag irgendwie ›vorne‹, das andere ›hinten‹, und wenn das vordere ins Zentrum des Bewusstseins rückte, trat das andere zurück. Außerdem hatten die Kleckse kleine Augen in der Mitte. Augen, welche weitere im statu nascendi befindliche Bewusstseinströme in sich bargen. Lebenden Statuen gleich, die darauf warteten, dass eine mentale Berührung sie zu vollem Bewusstsein erweckte.
    Kevin betrat die Zelle. Oscar hörte ihn heranschlurfen, war sich seiner Anwesenheit deutlich bewusst; allerdings dauerte es einen verstörenden Moment, bis ihm klar wurde, dass er sich der Mühe unterziehen sollte, die Augen zu öffnen und hinzuschauen.
    »Gott sei Dank, dass Sie da sind!« platzte er heraus.
    »Das gefällt mir«, meinte Kevin blinzelnd. »Enthusiasmus.«
    Oscar zwang sich zu schweigen. Wenn er sich darauf konzentrierte, schaffte er es, dem Drang zu widerstehen, seine Gedanken laut auszusprechen. Er brauchte bloß die Zunge gegen den Gaumen zu pressen, die Zähne zusammenzubeißen und gleichmäßig durch die Nase zu atmen.
    »Sie sehen gar nicht so schlecht aus«, bemerkte Kevin. »Ihre Haut ist ein bisschen gerötet, und sie halten den Hals wie eine Giraffe auf Speed, aber Sie machen nicht den Eindruck, verrückt zu sein.«
    »Ich bin nicht verrückt. Ich bin bloß anders.«
    »Äh… ja.« Kevin setzte sich auf einen desinfizierten Metallstuhl und ruhte seine schmerzenden Füße aus. »Äh… es tut mir Leid, dass ich’s vermasselt habe, Mann.«
    »Kann passieren.«
    »Ja. Daran sind die Leute aus Boston schuld, die alte Bambakias-Crew; das war das Problem. Die Frau des Senators… sie hat sich einen abgebrochen, um mir klar zu machen, dass ich das mit der Pressesprecherin durchgehen lassen sollte. Sie und diese Pressemieze wären mal ein Paar gewesen, all das. Na toll, dachte ich, dann haken wir das ab; aber dann tauchte Moira Matarazzo auf, die ehemalige Pressesprecherin des Senators… Verstehen Sie, da hab ich den Überblick verloren. Das war alles. Ich bekam das einfach nicht mehr auf die Reihe. All diese Leute aus Boston, die ehemaligen Mitarbeiter, die Mitarbeiter der ehemaligen Mitarbeiter; niemand hätte bei dem Scheiß noch durchgeblickt. Mann, ich wusste nicht mal mehr, ob ich noch Ihr Mitarbeiter bin.«
    »Ich verstehe, Kevin. Das ist das Nebenprodukt eines im Wesentlichen semifeudalistischen, halblegalen, verteilbar-verneinbaren, netzbasierten segmentierten mehrgleisigen Sozialisierungsprozesses.«
    Kevin wartete höflich ab, bis Oscars Lippen aufhörten sich zu bewegen. »Jedenfalls habe ich Moiras Bewegungen aufzeichnen lassen. In die Kuppel hinein, ins Verwaltungsgebäude hinein, wieder aus der Kuppel raus… Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie nicht mehr von diesen reizenden kleinen Zeitbomben hinterlassen hat.«
    »Huey.«
    Kevin lachte. »Natürlich steckt da Huey dahinter.«
    »Es erscheint mir ziemlich sinnlos und kleinlich, dass er uns das jetzt noch antut. Nachdem der Krieg vorbei ist und er sein Amt verloren hat. Zu einem Zeitpunkt, da ich mich anschicke, dies alles hinter mir zu lassen.«
    »Dann wollten Sie uns also wirklich verlassen.«
    »Was?«
    »Hab ich mitgehört. Ich vergaß zu erwähnen, dass ich den Giftgasanschlag aufgezeichnet habe. Die romantische Unterhaltung zwischen Ihnen und Dr. Penninger, als Sie unter Gas gesetzt wurden.«
    »Sie haben den Konferenzraum verwanzt?«
    »Hey, Mann, ich habe schließlich keinen Hirnschaden. Klar habe ich den Konferenzraum verwanzt. Nicht, dass ich Zeit hätte, jeden verdammten Raum abzuhören, den ich verwanzt

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