Brennendes Schicksal (German Edition)
ungeheuren Anzahl von Sienesern gegenüber. Handwerker führten Hämmer und Äxte bei sich, Bauern schwangen drohend ihre Mistgabeln, ein Stück weiter hinten sah man Kämpfer auf Pferden. Bajonette blitzten im Mondlicht.
»Für Siena!!«, erscholl ein Ruf, der von hunderten Kehlen aufgenommen und durch die ganze Stadt getragen wurde.
»Für Siena!«
Und jetzt gab es kein Halten mehr. Die vorderen Reihen stürzten nach vorn, vier Männer zogen Alvaro del Gerez, der mit seiner Lanze um sich schlug, vom Pferd. Andere Sieneser kämpften gegen vorwärts drängende Florentiner, aber die meisten, die noch außerhalb der Stadtmauern waren, ergriffen die Flucht.
Hufegetrappel schallte durch die Nacht, Rufe erklangen. »Weg hier, die Sieneser haben uns erwartet!« oder »Lauft, was das Zeug hält, wenn ihr am Leben bleiben wollt!«
Zwei Männer hatten Circe da Volterra erspäht, die leichenblass und am ganzen Körper zitternd an der Stadtmauer lehnte.
Als die Männer sie erreichten, streckte sie ihnen wortlos die Handgelenke entgegen, ließ sich die Arme binden und durch die Gassen zum Rathaus führen. Tränen strömten ihr dabei über die Wangen. Es waren Tränen der Scham und der Schuld.
Am Eingang des Rathauses stieß sie auf Laura.
Die beiden Frauen – Lehrerin und Schülerin – sahen sich an. »Verzeih mir, wenn du kannst, Laura«, flüsterte Circe da Volterra beinahe unhörbar.
Und Laura antwortete: »Gott schütze Euch, Circe da Volterra, Kurtisane Elektra aus Florenz.«
Dann wurde die Lehrerin ins Verlies geführt, in das schon wenig später auch Alvaro del Gerez einziehen sollte.
Laura aber lief, froh und traurig zugleich, die Treppenstufen hoch zum Zimmer des Bürgermeisters.
»Laura!«, rief Angelo und breitete die Arme aus. »Laura, es ist vorbei.«
Plötzlich ertönte Beifall. Laura drehte sich um und gewahrte den versammelten Rat von Siena.
Damiani Sticci stand auf und reichte ihr die Hand.
»Was Ihr, Signorina Laura, für Siena getan habt, ist mehr als nur einen Dank wert. Für Euren Mut und Eure Tapferkeit danken wir Euch allen von Herzen. Gleichzeitig darf ich Euch mitteilen, dass der Stadtrat und Rat der Republik Siena beschlossen hat, Euch in den Stand einer Gräfin zu erheben. Seid willkommen, Gräfin Laura, in diesem Haus, in dieser Stadt. Möge Gott dafür sorgen, dass Ihr uns noch lange erhalten bleibt.«
Laura wusste vor Überraschung nicht, was sie sagen sollte. Doch jetzt standen alle Männer des Rates nacheinander auf, schüttelten ihr die Hand und verließen anschließend den Rathaussaal. Bald war sie mit Angelo allein.
Er trat auf sie zu, nahm sie in den Arm und küsste sie mit einer Inbrunst, die sie nicht an ihm kannte.
»Laura«, fragte er dann und nahm ihr Gesicht in seine Hände. »Gräfin Laura, möchtest du mich heiraten? Möchtest du an meiner Seite den Rest deines Lebens verbringen? Möchtest du als Viscontessa da Matranga mit unserem Sohn Angelino in meinen Palazzo einziehen und von nun an alles mit mir teilen?«
»Ja!«, sagte Laura, die ihr Glück kaum fassen konnte. Doch sie wussteganz genau, dass dies im Grunde das Einzige war, was sie schon immer wollte: Angelo da Matrangas Gefährtin sein in guten wie in schlechten Tagen.
Epilog
Schon wenige Tage später fand in Siena das größte Volksfest seit Menschengedenken statt. Die Piazza del Campo war bis auf den letzten Platz gefüllt. Jahrmarktsbuden hatten ihre Waren ausgebreitet, Gaukler, Feuerschlucker, Tänzerinnen und Schauspieler belustigten die Menge. Es gab Unmengen an Wein, eingelegten Oliven, süßem Brot und Kuchen. Ganz Siena feierte seinen Sieg über die Florentiner, die Auferstehung ihres Bürgermeisters und dessen Verlobung mit der frisch gebackenen Gräfin Laura, die am Nachmittag offiziell vom Bischof im Rahmen eines Gottesdienstes in der Kathedrale den Bürgern mitgeteilt werden sollte.
Doch während auf dem Campo das Leben in vollen Zügen genossen wurde, fand hinter den Mauern die Verhandlung und Urteilsverkündung im Prozess gegen Alvaro del Gerez und Circe da Volterra statt.
Alvaro del Gerez wurde zum Tod durch Vierteilen und Circe da Volterra zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt.
Während Alvaro del Gerez um sein Leben bat und bettelte, ja, sich dem hohen Gericht sogar zu Füßen warf, nahm Circe da Volterra ihr Todesurteil beinahe erleichtert an.
»Habt Ihr noch einen letzten Wunsch?«, wurde sie vom Questore gefragt.
Und Circe da Volterra antwortete: »Ich möchte nur, dass es
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