Brennendes Wasser
USA könne man nicht trauen.«
»Das glauben diese Leute doch sowieso«, sagte Sandecker lakonisch. »Nach meiner Erfahrung fürchten einflussreiche Persönlichkeiten vor allem eines: in Verlegenheit gebracht zu werden.« Er lächelte. »Kann ich davon ausgehen, dass nicht noch andere Protokolle darauf lauern, völlig unvermutet in Aktion zu treten?«
Es war eine kaum verhüllte Warnung.
»Ich habe bereits eine umfassende Untersuchung unserer Dateien angeordnet, um genau diese Möglichkeit auszuschließen«, sagte LeGrand. »Es wird keine weiteren Überraschungen geben.«
»Das will ich auch hoffen«, sagte Sandecker.
28
Austin schenkte sich einen Becher schwarzen jamaikanischen Kaffee ein, trank einen Schluck des heißen, starken Gebräus und nahm den Aluminiumzylinder vom Schreibtisch. Er wog den Behälter in seiner großen Hand und starrte die verbeulte, nach außen gewölbte Oberfläche an, als handle es sich um eine Kristallkugel. Das Objekt gab kein Geheimnis preis, sondern zeigte Kurt lediglich das verzerrte Abbild seines braun gebrannten Gesichts mit den hellen Haaren.
Er legte den Zylinder beiseite und widmete sich erneut der Karte von Alaska, die auf dem Tisch ausgebreitet war. Kurt kannte Teile des fünfzigsten Bundesstaats der USA aus eigener Anschauung, und jedes Mal wieder beeindruckte ihn die schiere Endlosigkeit der zerklüfteten Landschaft, die auf der ganzen Welt ihresgleichen suchte. Die alte Basis des Deltaflüglers würde genauso schwierig zu entdecken sein wie ein einzelnes Sandkorn am Strand von Malibu. Hinzu kam, dass man den Stützpunkt mit Sicherheit versteckt angelegt hatte, um ihn vor neugierigen Blicken zu schützen. Austin fuhr mit dem Finger von Barrow, weit jenseits des nördlichen Polarkreises, bis zur Halbinsel Kenai im Süden des Staates. Gerade als ihm eine bestimmte Idee kam, klingelte das Telefon.
Er wandte die Augen nicht von der Karte ab, nahm den Hörer und meldete sich beinahe mechanisch. Am anderen Ende erklang Sandeckers forsche Stimme.
»Kurt, würden Sie bitte nach oben in mein Büro kommen?«
»Kann das nicht warten, Admiral?«, fragte Austin und versuchte, sich nicht von seinem Gedanken ablenken zu lassen.
»Aber
natürlich
, Kurt«, erwiderte Sandecker großmütig.
»Reichen fünf Minuten?«
Kurts Ahnung verflüchtigte sich wie ein Staubkorn im Wind.
Sandecker war eben unwiderstehlich. Der Verstand des Admirals arbeitete mit Lichtgeschwindigkeit, und daher war auch sein Zeitbegriff irgendwie komprimiert.
»Ich komme sofort.«
»Hervorragend. Ich glaube, Sie werden es nicht bereuen.«
Als Austin im neunten Stock ankam und das Büro des Admirals betrat, rechnete er damit, den Chef der NUMA hinter seinem riesigen Schreibtisch vorzufinden, den man aus einem Lukendeckel gefertigt hatte, der von Bord eines konföderierten Blockadebrechers stammte. Stattdessen saß Sandecker jedoch etwas abseits auf einem der bequemen dunklen Ledersessel, die eigentlich für Besucher reserviert waren, und unterhielt sich mit einer Frau, die Kurt den Rücken zuwandte. Der Admiral trug einen marineblauen Blazer, auf dessen Brusttasche ein goldener Anker gestickt war, und erhob sich nun, um Austin zu begrüßen.
»Danke, dass Sie kommen konnten, Kurt. Ich möchte Ihnen jemanden vorstellen.«
Die Frau stand auf, und Austin vergaß augenblicklich jeden weiteren Gedanken an Alaska und alle damit verbundenen Rätsel.
Sie war groß und schlank, mit eurasisch hohen Wangenknochen und mandelförmigen Augen. Im Gegensatz zu ihrem exotischen Gesicht fielen ihr burgunderfarbener Rock und die dazu passende Jacke eher konservativ aus. Das dunkelblonde Haar hatte sie zu einem festen Zopf geflochten, der ihr bis auf die Schultern reichte. Etwas an ihr ging weit über die physische Schönheit hinaus. Ihre aufrechte Haltung zeugte von großem Selbstbewusstsein, doch gleichzeitig bewegte sie sich mit der natürlichen Geschmeidigkeit eines Panthers, als sie nun auf Kurt zukam und ihm die Hand reichte. Die blauschwarzen Augen mit den goldenen Einsprengseln schienen eine geradezu tropische Hitze zu verströmen. Vielleicht bildete Austin es sich nur ein, aber der betörende Duft der Fremden ließ ihn den Klang ferner Trommeln vernehmen. Plötzlich wurde ihm klar, um wen es sich bei dieser Frau handeln musste.
»Sie sind Dr. Cabral?«
Es hätte ihn nicht überrascht, wenn aus ihrem Mund statt einer Antwort lediglich ein leises Schnurren gedrungen wäre. Ihre Stimme erwies sich als dunkel und
Weitere Kostenlose Bücher