Brennendes Wasser
weich.
»Danke, dass Sie Zeit für mich erübrigen können, Mr. Austin.
Ich hoffe, ich habe Sie nicht bei etwas Wichtigem gestört. Admiral Sandecker war so nett, mir die Gelegenheit zu geben, mich persönlich für Ihre Hilfe bedanken zu dürfen.«
»Das ist sehr freundlich von Ihnen, aber der eigentliche Dank gebührt Gamay und Paul. Ich bin bloß ans Telefon gegangen und habe ein paar Knöpfe gedrückt.«
»Sie sind viel zu bescheiden, Mr. Austin«, sagte sie mit einem Lächeln, das Eiswürfel zum Schmelzen gebracht hätte. »Ich fürchte, falls Sie nicht gewesen wären, würden mein Kopf und die Häupter ihrer Kollegen jetzt den Zaun eines Dorfs zieren, das einige tausend Kilometer von dieser behaglichen Umgebung entfernt liegt.«
Sandecker trat zwischen die beiden und geleitete Francesca zurück zu ihrem Sessel. »Bitte verzeihen Sie unsere Aufdringlichkeit, Dr. Cabral, aber hätten Sie vielleicht die Güte, uns Ihre Geschichte von Anfang an zu erzählen?«
»Sehr gern«, erwiderte sie. »Für mich hat ein solches Gespräch nicht nur therapeutischen Wert, sondern hilft mir zudem, mich an so manche vergessene Einzelheit zu erinnern.«
Sandecker bedeutete Austin, ebenfalls Platz zu nehmen. Er selbst setzte sich an seinen Schreibtisch und entzündete eine der zehn handgefertigten Zigarren, die er jeden Tag zu rauchen pflegte. Dann lauschten er und Kurt aufmerksam dem fesselnden Bericht von Francescas Entführung, dem Absturz, den sie um Haaresbreite überlebt hatte, und schließlich ihrem Aufstieg zur weißen Göttin. Detailliert und voller Stolz beschrieb sie all die Verbesserungen des täglichen Lebens, die der Stamm der Chulo ihr zu verdanken hatte, und endete mit einer Schilderung der Ankunft der Trouts, der wilden Flucht und der Rettung durch den Hubschrauber.
»Faszinierend«, sagte Sandecker, »absolut faszinierend. Sagen Sie, was ist eigentlich aus Ihrer Freundin Tessa geworden?«
»Sie ist bei Dr. Ramirez geblieben. Ihr Wissen über Arzneipflanzen dürfte sich für seine Forschungen als unschätzbar wertvoll erweisen. Unterdessen habe ich mit meinen Eltern telefoniert, um mich zu vergewissern, dass es ihnen gut geht. Sie wollten, dass ich sofort nach Hause komme, aber ich habe beschlossen, zunächst eine Weile in den Vereinigten Staaten zu bleiben. Ich brauche noch ein wenig Eingewöhnungszeit, bis ich mich wieder in das hektische Leben von São Paulo stürzen kann.
Außerdem bin ich entschlossen, meine vor zehn Jahren unterbrochene Arbeit fortzuführen.« Sandecker musterte Francescas trotzig vorgeschobenen Unterkiefer. »Nach meiner festen Überzeugung ist die Vergangenheit stets von Bedeutung, sowohl für die Gegenwart als auch für die Zukunft. Zur Einschätzung der bevorstehenden Entwicklung wäre es hilfreich, wenn Sie uns die Ereignisse darlegen könnten, die zu Ihrer Flugreise geführt haben.«
Francesca starrte ins Leere, als könnte sie durch die Zeit blicken. »Das alles reicht zurück bis in meine Kindheit. Ich habe schon sehr früh erkannt, dass ich aus einer privilegierten Schicht stamme. Sogar als kleines Mädchen war ich mir bereits der entsetzlichen Slums meiner Heimatstadt bewusst. Als ich älter wurde und einige Reisen unternahm, lernte ich, meine Stadt als eine Art Mikrokosmos der ganzen Welt zu betrachten. Sie teilt sich auf in Besitzende und Besitzlose. Überdies wurde mir klar, dass der Unterschied zwischen den armen und reichen Nationen hauptsächlich in der Substanz begründet liegt, die auf unserem Planeten am häufigsten vorkommt: Wasser. Süßwasser bedeutet Entwicklung. Ohne Wasser gibt es keine Nahrung. Ohne Nahrung gibt es keinen Lebenswillen, keinen Antrieb, die eigene Lage zu verbessern. Auch die an Öl reichen Staaten dieser Erde benutzen einen Großteil ihrer Verkaufserlöse, um damit Wasser zu erwerben oder zu fördern. Wir halten es für selbstverständlich, einfach den Hahn aufzudrehen und beliebig viel Wasser zur Verfügung zu haben, aber das wird nicht immer so bleiben. Der Konkurrenzkampf ums Wasser ist so erbittert wie nie zuvor.«
»In den USA ist ein solcher Streit längst nichts Unbekanntes mehr«, sagte Sandecker. »Früher wurden um Wasserrechte sogar bewaffnete Auseinandersetzungen geführt.«
»Verglichen mit den zukünftigen Problemen waren das alles kleine Fische«, merkte Francesca freudlos an. »In diesem Jahrhundert wird man deswegen ganze Kriege vom Zaun brechen, so wie bislang wegen der Ölreserven. Der Zustand ist hoffnungslos, denn die
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