Brennendes Wasser
von Ihnen über eine wissenschaftliche Ausbildung verfügt, doch es bedarf keiner technischen Kenntnisse, um das Grundprinzip des Vorgangs zu verstehen, dessen Zeugen Sie gleich sein werden. Während die tatsächliche Ausführung sich kompliziert gestaltet, ist das Konzept ziemlich einfach. Seit der Zeit der alten Griechen gibt es Entsalzungsmethoden, doch bislang haben diese Verfahren immer nach einem physikalischen Prinzip gearbeitet. Man hat Wasser zu Dampf verkocht, es unter Strom gesetzt oder durch Membranen gepresst, um das Salz herauszufiltern, so wie ein Kind den Sand nach Muscheln durchsiebt. Ich habe mir überlegt, dass es in mancherlei Hinsicht einfacher sein könnte, die molekulare Struktur der im Salzwasser enthaltenen chemischen Substanzen auf atomarer und subatomarer Ebene zu verändern.«
»Das klingt irgendwie nach Alchemie, Dr. Cabral«, sagte der aalglatte deutsche Bankier.
»Der Vergleich ist durchaus angemessen. Obwohl die Alchemie ihr Ziel nie erreicht hat, wurde durch sie die Wissenschaft der Chemie gleichsam vorbereitet. Und genau wie die Alchemisten habe auch ich versucht, einen anderen Stoff in Gold zu verwandeln, nur dass es in meinem Fall um blaues Gold ging, um Wasser, das wertvoller ist als alle Mineralien dieser Erde. Ich brauchte einen Stein der Weisen, der das ermögliche n würde.«
Sie drehte sich zu dem Anasazium-Kern um. »Hier drin befindet sich der Katalysator, durch den der Prozess funktioniert. Das Salzwasser wird mit dem Material in Kontakt gebracht und dadurch gereinigt.«
»Wann erleben wir eine Demonstration dieses Wunders?«, fragte Lord Grimley.
»Bitte kommen Sie mit«, sagte sie und ging voran zur Schalttafel. Ihre Finger huschten über die Tastatur. Man hörte das gedämpfte Geräusch anlaufender Pumpen, gefolgt vom Rauschen des Wassers. »Durch das Hauptrohr über unseren Köpfen strömt nun Salzwasser und fließt in den Behälter. Dann dauert es einige Minuten.«
Francesca führte die Gruppe auf die andere Seite des Katalyse-Containers und wartete schweigend ab, während die Spannung immer mehr anwuchs. Dann überprüfte sie eine Anzeige und deutete auf ein anderes dickes Rohr. »Das dort ist die Abflussleitung, in der sich das Süßwasser befindet. Sie können die Wärme spüren, die während der Umwandlung entsteht.«
»Wenn ich recht verstanden habe, kann diese Wärme als Energiequelle genutzt werden«, sagte der Amerikaner.
»Richtig. Im Augenblick wird das Wasser einfach nur wieder in den kalten See gepumpt, und die Hitze verflüchtigt sich. Mit nur wenigen Modifikationen wäre diese Anlage imstande, aus der Wärme die Energie zum eigenen Betrieb zu gewinnen. Es gäbe sogar einen Überschuss, der anderweitig genutzt werden könnte.«
Die Direktoren begannen, aufgeregt zu diskutieren. Francesca konnte die Aura der Gier beinahe körperlich spüren, während die Männer im Geiste bereits die Milliarden zusammenzählten, die ihnen die Produktion billiger Energie neben dem Wasser einbringen würde.
Sie ging zu einer Rohrschlange, die aus der Süßwasserleitung senkrecht nach unten ragte und in einem Wasserhahn endete, neben dem ein Stapel Pappbecher bereitstand. »Das hier ist ein Kühlmodul, das dem Wasser die Hitze entzieht«, erklärte sie.
Dann wandte sie sich an einen der Techniker. »Wie war die Qualität des bisher von Ihnen produzierten Wassers?«
»Allenfalls brackig«, sagte der Mann.
Francesca drehte den Hahn auf, füllte einen der Becher, hielt ihn wie ein Weinkenner ins Licht, nippte daran und trank dann den Rest auf einen Zug. »Noch ein bisschen warm, aber ansonsten vergleichbar mit jedem beliebigen Quellwasser, das ich kenne.«
Brynhild trat vor, füllte ebenfalls einen der Becher und trank ihn leer.
»Der Nektar der Götter«, rief sie triumphierend.
Die Direktoren drängten wie halb verdurstete Ochsen voran.
Jeder neue Becher rief erstaunte Aufschreie hervor. Wenig später redeten alle gleichzeitig. Während die Männer den Hahn umlagerten, als wäre es ein Jungbrunnen, entfernten Brynhild und Francesca sich ein Stück von dem Stimmengewirr.
»Herzlichen Glückwunsch, Dr. Cabral. Wie es scheint, ist das Verfahren ein voller Erfolg.«
»Das war mir schon vor zehn Jahren klar«, sagte Francesca.
Brynhild dachte an die Zukunft, nicht an die Vergangenheit.
»Haben Sie meine Techniker entsprechend unterwiesen, so dass die Männer den Prozess nachvollziehen können?«
»Ja. An der Prozedur sind nur wenige Änderungen erforderlich
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