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Brennendes Wasser

Brennendes Wasser

Titel: Brennendes Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler , Paul Kemprecos
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erklären konnte, wie dieser Elch wohl nach Mexiko gelangt war, wandte er seine Aufmerksamkeit nun wieder der Karte der Halbinsel zu, die vor ihm auf dem Tisch ausgebreitet lag, direkt neben dem Satellitenbild mit den verschiedenen Wassertemperaturen.
    »Hier wollen wir hin«, sagte er und wies auf die Karte. »Die merkwürdige Erwärmung hat in dieser kleinen Bucht stattgefunden.«
    Zavala beendete seine Mahlzeit mit zufriedenem Lächeln und schlug den Baedeker-Reiseführer Mexiko auf. »Hier steht, dass der
ballena gris
oder Grauwal zwischen Dezember und März vor der Baja eintrifft, um sich zu paaren und die Jungen zur Welt zu bringen. Die Wale wiegen bis zu fünfundzwanzig Tonnen und erreichen eine Länge zwischen drei und fünfzehn Metern. Zum Zwecke der Paarung hält ein Männchen das Weibchen an Ort und Stelle, während ein zweites Männchen…« Er zuckte zusammen. »Ich glaube, den Teil überspringe ich lieber.
    Die Grauwale wurden durch den kommerziellen Fang zunächst beinahe ausgerottet, stehen jedoch seit 1947 unter Artenschutz.«
    Joe blickte auf. »Ich möchte dich mal etwas fragen. Ich weiß, dass du viel Respekt vor allen Meereslebewesen empfindest, aber bislang habe ich dich eigentlich nie als besonderen Walfreund erlebt. Wieso auf einmal das große Interesse? Weshalb überlassen wir die Angelegenheit nicht der EPA oder dem Fish and Wildlife Service?«
    »Berechtigte Frage. Ich
könnte
behaupten, ich wolle herausfinden, was am Anfang der Ereigniskette gestanden hat, in deren Folge das Boot meines Vaters versenkt wurde. Aber da ist noch etwas, das ich nur schwer in Worte fassen kann.« Er sah Joe nachdenklich an. »Es erinnert mich an so manchen schaurigen Tauchgang, den ich erlebt habe. Du weißt schon, was ich meine.
    Du schwimmst einfach so vor dich hin, alles ist scheinbar in Ordnung, und dann richten sich plötzlich deine Nackenhaare auf, dem Magen zieht sich zusammen, und du hast das
eindeutige
Gefühl, dass du nicht mehr allein bist, sondern etwas dich beobachtet. Etwas sehr
Hungriges

    »Ja«, sagte Zavala grübelnd. »Aber meistens ist es noch schlimmer. Ich bin dann jedes Mal der Auffassung, der größte, übelste und hungrigste Hai des gesamten Ozeans sei hinter mir her und würde sich gerade überlegen, wie lange er wohl kein Stück mexikanisches Fleisch mehr vorgesetzt bekommen hat.«
    Er kratzte die letzten Reste auf seinem Teller zusammen. »Aber wenn ich mich dann umdrehe, ist rein gar nichts zu sehen oder höchstens eine winzige Elritze, die mich böse anglotzt.«
    »Die See ist in geheimnisvolles Dunkel gehüllt«, sagte Austin mit verträumtem Blick.
    »Soll das so eine Art Rätsel sein?«
    »In gewisser Weise. Es ist ein Zitat von Joseph Conrad. ›Die See ändert sich nie, und all ihr Wirken, mag der Mensch es noch so sehr ergründen, ist in geheimnisvolles Dunkel gehüllt.‹«
    Austin wies auf die Karte. »Es sterben jeden Tag Wale. Einige an natürlichen Todesursachen. Andere verfangen sich in Fischernetzen und verhungern, geraten in eine Schiffsschraube oder werden vergiftet, weil manche Leute glauben, es sei völlig in Ordnung, die Meere als Sondermülldeponie zu benutzen.« Er hielt inne. »Aber das hier passt in keine dieser Kategorien. Auch ohne die Einwirkung des Menschen befindet die Natur sich nie ganz im Gleichgewicht, sondern reagiert beständig auf die wechselnden Bedingungen. Dennoch entsteht kein totales Chaos. Es ist wie bei den Improvisationen einer guten Jazzband, wenn beispielsweise Ahmad Jamal von selbst ein Pianosolo einfügt und dann wieder wie beiläufig zu seiner Rhythmusgruppe aufschließt.« Er lachte auf. »O Mann, ich rede ganz schönen Blödsinn.«
    »Vergiss nicht, dass ich deine Jazz-Sammlung kenne, Kurt.
    Willst du sagen, es gebe hier verschiedene Missklänge?«
    »Eher eine umfassende Dissonanz.« Er dachte eine Weile darüber nach. »Dein Vergleich gefällt mir besser. Ich habe das Gefühl, dass am Rande unseres Sichtfelds ein riesiger, gemeiner Hai lauert und dabei gewaltigen Hunger verspürt.«
    Zavala schob den leeren Teller von sich weg. »Wie heißt es doch so schön bei mir zu Hause? Man fischt am besten dann, wenn die Fische hungrig sind.«
    »Zufällig weiß ich, dass du in der Wüste aufgewachsen bist,
amigo
«, sagte Austin und stand auf. »Aber ich stimme dir zu.
    Lass uns angeln gehen.«
    Sie fuhren zurück zur MEX 1 und dort weiter nach Süden.
    Ähnlich wie hinter Tijuana verloren sich auch hier schon bald alle Anzeichen des

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