Brennendes Wasser
kommerziellen Tourismus, und die Fahrbahn verengte sich auf zwei Spuren. Bei Maneadero verließen sie den Highway und gelangten über eine Reihe von Nebenstraßen, die sie an Feldern, vereinzelten Farmgebäuden und alten Missionen vorbeiführten, schließlich in ein zerklüftetes, menschenleeres Gebiet mit nebelverhangenen, baumbestandenen Hügeln, die sich bis hinunter ans Meer erstreckten. Zavala, der Kurt die Richtung ansagte, warf erneut einen Blick auf die Karte.
»Wir sind fast da. Gleich hinter der nächsten Ecke«, sagte er.
Austin wusste nicht, womit er gerechnet hatte. Dennoch war er erstaunt, als sie die Kurve hinter sich ließen und plötzlich ein Schild vor sich sahen, auf dem in ordentlicher Schrift auf Spanisch und Englisch zu lesen stand, dass hier die Baja Tortilla Company ihren Hauptsitz habe. Kurt hielt am Straßenrand. Das Schild stand an der Einfahrt einer langen gepflasterten Allee. In der Ferne konnte man ein großes Gebäude erkennen.
Austin beugte sich vor und schob sich die Sonnenbrille auf die Stirn. »Bist du
sicher
, dass wir hier richtig sind?«
Zavala reichte ihm die Karte. »Überzeug dich selbst.«
»Sieht so aus, als seien wir den ganzen Weg völlig umsonst gefahren.«
»Nicht unbedingt«, sagte Zavala. »Die
huevos rancheros
waren vorzüglich, und ich besitze jetzt ein nagelneues T-Shirt von Hussong’s Cantina.«
Austin kniff die Augen zusammen. »Das alles kommt mir ziemlich seltsam vor. Auf dem Schild steht ›Bitte besuchen Sie uns.‹ Na, dann nehmen wir die Leute doch mal beim Wort.«
Er bog in die Zufahrt ein und folgte ihr mehrere hundert Meter bis zu einem gepflegten, mit Kies bestreuten Parkplatz, auf dem auch Stellflächen für Besucher reserviert waren. Hier standen einige Wagen mit kalifornischen Nummernschildern und sogar ein paar Reisebusse. Die Seiten des Gebäudes bestanden aus gewelltem Aluminium, während die Fassade mit dem Haupteingang aus Lehmsteinen errichtet war und gemeinsam mit dem Ziegeldach ganz dem typisch spanischen Stil entsprach.
Durch die offenen Fenster des Pickups wehte der Duft von gebackenem Mais herein.
»Teuflisch clevere Tarnung«, sagte Zavala.
»Es war kaum anzunehmen, dass wir hier eine Leuchtreklame vorfinden würden, auf der steht ›Willkommen bei den Jungs, die die Wale getötet haben.‹«
»Ich wünschte, wir hätten unsere Waffen dabei«, sagte Joe mit gespieltem Ernst. »Man weiß nie, ob nicht plötzlich eine wild gewordene Tortilla angreift. Ich habe mal von einem Kerl gehört, der in Nogales einem Burrito zum Opfer gefallen ist…«
»Spar dir das für den Rückweg auf.« Austin stieg aus und ging voran in Richtung der Eingangstür. Das dunkle Holz war mit kunstvollen Schnitzereien verziert.
Kurt und Joe betraten einen makellos sauberen Empfangsbereich. Hinter einem Schreibtisch saß eine junge Mexikanerin und lächelte ihnen entgegen. »
Buenos dias
«, sagte sie. »Sie haben Glück. Die Führung durch die Tortilla-Fabrik fängt gleich an. Sie gehören nicht zu der Reisegruppe von einem der Kreuzfahrtschiffe?«
Austin musste sich ein Grinsen verkneifen. »Wir sind allein unterwegs und zufällig hier vorbeigekommen. Das Schild ist uns aufgefallen.«
Sie lächelte erneut und bat sie, sich einer Schar älterer Leute anzuschließen, deren Akzent darauf hindeutete, dass sie vorwiegend aus dem mittleren Westen der USA stammten. Dann übernahm die Empfangsdame die Leitung der Gruppe und ging vo ran in die Bäckerei.
»In Mexiko ist Mais schon immer das wichtigste Grundnahrungsmittel gewesen, und sowohl die Indios als auch die spanischen Kolonisten haben sich jahrhundertelang vornehmlich von Tortillas ernährt.« Sie erreichten einige große Mahlwerke, die von Arbeitern mit Säcken voller Mais gefüllt wurden. »Früher haben die Menschen ihre Tortillas selbst hergestellt. Die Körner wurden zu Maismehl gestampft, mit Wasser vermischt, um eine
masa
herzustellen, dann ausgerollt, zurechtgeschnitten, gepresst und von Hand gebacken. Die wachsende Nachfrage in Mexiko und vor allem den Vereinigten Staaten hat zu einer stärkeren Zentralisierung der Tortilla-Industrie geführt. Dadurch wurde es uns ermöglicht, unsere Produktionsanlagen zu modernisieren und somit eine effizientere und hygienischere Herstellung zu gewährleisten.«
Kurt und Joe ließen sich ein Stück zurückfallen.
»Falls der größte Markt für mexikanische Teigfladen in den USA liegt, wieso befindet diese Fabrik sich dann nicht näher an der Grenze?«,
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