Brennendes Wasser
Angehörige des NUMA-Teams für Sonderaufgaben hatten sie und Paul bereits zahllose gefährliche Aufträge absolviert. Und so attraktiv sie auch sein mochte, Gamay war kein zartes Pflänzchen. Daheim in Racine, Wisconsin, ihrem Geburtsort, hatte sie sich als echter Wildfang stets mit einer Horde Jungen herumgetrieben und auch später nie Probleme gehabt, sich bei Männern zu behaupten.
»Na gut, dann sind wir uns einig. Nach dem Dessert und einem Glas Brandy sollten wir zu Bett gehen, damit Sie im Morgengrauen aufbrechen können.«
Wenig später hatten die Trouts sich auf ihr Zimmer zurückgezogen und bereiteten sich auf die Nachtruhe vor. »Weshalb hast du bei Dr. Ramirez’ Bitte gezögert?«, fragte Gamay.
»Aus einer Reihe von Gründen. Zunächst mal hat dieser kleine Ausflug nichts mit unserem eigentlichen NUMA-Auftrag zu tun.«
Paul musste sich vor einem Kissen ducken, das in seine Richtung geflogen kam. »Seit wann handelst du denn nur streng nach Vorschrift?«, fragte Gamay.
»Immer dann, wenn es angebracht erscheint, genau wie du.
Ich habe die Regeln zwar gelegentlich etwas großzügig ausgelegt, aber noch nie gebrochen.«
»Dann lass uns doch großzügig sein und beschließen, dass der Fluss ein wichtiger Bestandteil des Ozeans ist und daher jeder Todesfall, der mit dem Fluss zusammenhängt, vom NUMA-Team für Sonderaufgaben untersucht werden sollte. MUSS ich dich daran erinnern, dass dieses Team speziell zu dem Zweck gegründet wurde, Vorkommnisse zu untersuchen, für die sich niemand zuständig fühlt?«
»Keine schlechte Ansprache, aber bilde dir nicht zu viel darauf ein. Falls du unsere Hilfe nicht angeboten hättest, hätte ich es getan. Mit einer ebenso fadenscheinigen Begründung, wie ich hinzufügen möchte. Es widerstrebt mir, dass jemand mit einem Mord davonkommen könnte.«
»Mir auch. Hast du eine Idee, wie wir die Sache anpacken könnten?«
»Schon geschehen. Lass dich nicht von meiner wortkargen Art täuschen.«
»Das würde mir nie einfallen, mein Schatz.«
»Um auf deine ursprüngliche Frage zurückzukommen: Ich habe gezögert, weil ich
überrascht
war. Dies ist das erste Mal, dass Ramirez sein Boot erwähnt hat. Bislang hat er uns glauben lassen, auch er selbst würde nur Einbäume benutzen. Weißt du noch, wie sehr er sich über unser ach so tolles kleines Schlauchboot ausgelassen hat? Ich habe neulich ein wenig herumgeschnüffelt und bin dabei auf eine Hütte gestoßen, in der sich ein Airboat befindet.«
Sie richtete sich auf. »Ein
Airboat
? Ein echtes Propellerboot? Wieso hat er das denn nie erwähnt?«
»Das dürfte wohl offensichtlich sein. Er wollte nicht, dass jemand davon erfährt. Ich schätze, unser Freund Ramirez ist kein ganz so schlichtes Gemüt, wie er zu sein vorgibt.«
»Den Eindruck habe ich auch. Ich glaube, sein angebliches Widerstreben, uns arme hilflose Wissenschaftler auf eine potentiell gefährliche Mission zu schicken, war ziemlich unaufrichtig.
Wir haben ihm genug über das Team für Sonderaufgaben erzählt, also weiß er, dass wir meistens nicht nur Flussdelphine zählen. Meiner Ansicht nach will er die NUMA in diese Angelegenheit verwickeln.«
»Demnach haben wir ihm genau in die Hände gespielt.
Allerdings ist mir nicht klar, aus welchem Grund er sich so hinterlistig verhalten sollte.«
»Ich habe eine Theorie«, sagte Gamay. »Er hat uns doch von diesen Universitätswissenschaftlern erzählt, die als eine Art Bio-Polizei fungieren. Er ist Angehöriger einer solchen Universität.
Er hat es ganz beiläufig erwähnt.«
»Das ist mir aufgefallen.« Paul streckte sich auf dem Bett aus und schloss die Augen. »Glaubst du, dass er eigentlich ein Bio-Cop ist, der sich als Botaniker tarnt?«
»Das ergäbe zumindest einen Sinn.« Gamay hielt nachdenklich inne. »Ich muss gestehen, der Hauptgrund für meine Neugier sind diese Gegenstände, die wir bei dem Chulo gefunden haben. Ich möchte zu gern wissen, wie ein rückständiger Indio an all diese Hightech-Spielzeuge gelangt ist. Du nicht auch?«
Von der anderen Seite des Betts war nur noch leises Atmen zu hören. Paul übte sich mal wieder in seiner berühmten Fähigkeit, auf Kommando einschlafen zu können. Gamay schüttelte den Kopf, zog sich die Decke über die Schultern und machte ebenfalls die Augen zu. Sie würden bei Tagesanbruch aufstehen, und der nächste Tag versprach sehr lang zu werden.
6
Der mexikanische Zollbeamte beugte sich aus seinem Fenster und musterte die zwei Männer in dem
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