Brennendes Wasser
Baumwollhosen, langärmelige T-Shirts, knöchelhohe Lederstiefel und um die Hüften eine Art breiten, ledernen Werkzeuggürtel, an dem sich metallene Ösen befanden. Einer der Fremden wirkte grobschlächtig und derb und hätte dringend eine Rasur vertragen können. Der andere war klein und schlank und hatte die dunklen, matten Augen einer Kobra. Der Anführer der Indios reichte ihm den Colt. Der eisige Blick richtete sich kurz auf die Trouts und schwenkte sofort wieder zu dem Deutschen zurück.
»Hier sind deine Kuriere, Dieter«, sagte der Mann mit französischem Akzent. »Willst du dein falsches Spiel etwa
immer
noch leugnen?«
Dieter begann noch stärker zu schwitzen, so dass nun wahre Bäche über sein Gesicht rannen. »Victor, ich schwöre bei Gott, dass ich die beiden erst gestern Nachmittag kennen gelernt habe.
Sie sind einfach hier aufgetaucht und behaupteten, Ramirez hätte sie geschickt, um mir von dem toten Indio zu berichten und mich vor etwaigen Schwierigkeiten zu warnen.« Seine gelblichen Augen blickten verschlagen. »Ich habe ihnen nicht geglaubt und sie deshalb hier in eine Hütte gesteckt, wo ich sie im Auge behalten konnte.«
»Ja, deine außerordentlichen Sicherheitsvorkehrungen sind mir gleich aufgefallen«, entgegnete Victor mit offener Verachtung. Er wandte sich an die Trouts. »Wer sind Sie?«
»Mein Name ist Paul Trout. Das hier ist Gamay, meine Frau.
Wir sind Forscher und arbeiten mit Dr. Ramirez an einem Projekt über die Flussdelphine.«
»Weshalb sind Sie hergekommen? In diesem Teil des Flusses gibt es keine Delphine.«
»Stimmt«, sagte Paul. »Bei uns wurde in einem Kanu die Leiche eines Indios angetrieben. Dr. Ramirez war der Ansicht, es drohten eventuell weitere Gefahren. Also hat er uns gebeten, dieses Dorf hier zu warnen.«
»Wieso ist Ramirez nicht selbst hergekommen?«
»Er hat sich am Knöchel verletzt und konnte kaum laufen.
Außerdem wollten wir die Gelegenheit nutzen, um weitere Eindrücke vom Regenwald zu sammeln.«
»Wie günstig.« Der Franzose hob den Colt. »Ist diese Waffe ein Teil Ihrer wissenschaftlichen Ausrüstung?«
»Nein. Sie gehört Dr. Ramirez. Er hat sie uns praktisch aufgenötigt, nur für den Fall, dass es unterwegs Probleme geben sollte. Anscheinend hatte er den richtigen Riecher.«
Victor lachte. »Die Geschichte klingt dermaßen dämlich, dass sie vielleicht sogar der Wahrheit entspricht.« Er musterte Gamay auf eine Weise, wie nur ein Franzose eine Frau ansehen würde.
»
Gamay
, welch ein ungewöhnlicher Name, noch dazu mit französischen Wurzeln.«
Was Victor für Charme hielt, war nach Gamays Ansicht unverblümte Lüsternheit, aber sie verstand es durchaus, ihre weiblichen Reize vorteilhaft einzusetzen. »Die Franzosen, die ich bislang getroffen habe, hätten sich mir inzwischen längst vorgestellt.«
»Oh, bitte verzeihen Sie meine schlechten Manieren. Das muss an meinem Umgang mit Leuten wie diesem
cochon
liegen.« Dieter zuckte zusammen, als Victor ihm beiläufig den Lauf der Pistole vor die Nase hielt. »Ich heiße Victor Arnaud, und dies ist mein Assistent Carlos«, sagte er und deutete auf seinen schweigenden Begleiter. »Wir arbeiten im Auftrag eines europäischen Kartells, das seltene biologische Substanzen erwerben möchte, wie sie nur hier im Regenwald vorkommen.«
»Demnach sind Sie Botaniker wie Dr. Ramirez?«
»Nein«, erwiderte er kopfschüttelnd. »Für Botaniker ist dieser Job derzeit zu hart. Wir verfügen zwar über einige biologische Kenntnisse, aber vor allem sammeln wir interessant erscheinende Proben, die dann von den Wissenschaftlern genauer analysiert werden. Später, sobald wir gewissermaßen den Weg geebnet haben, kommen manche der Forscher dann auch persönlich her.«
»Suchen Sie nach medizinisch nutzbaren Pflanzen?«, fragte Paul.
»Unter Umständen, aber nur als mögliches Nebenprodukt«, sagte Arnaud. »Es ist schließlich kein Geheimnis, dass in der wundersamen biologischen Schatzkammer um uns herum womöglich ein Heilmittel gegen Krebs wächst.« Er tippte sich mit der Fingerspitze an die lange Nase und dann an den Mund. »In erster Linie suchen wir nach Duftstoffen für die Herstellung von Parfüms und nach Extrakten für die Nahrungsmittelindustrie.
Falls uns dabei auch eine Arzneipflanze in die Finger gerät, umso besser. Wir besitzen eine Genehmigung der venezolanischen Regierung. Das alles hier ist ganz legal.«
Pauls Blick streifte die brutal dreinschauenden, bemalten Wilden, die erhobenen
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